Start Jahres- & Gedenktage 400 Jahre Glückstadt: Geschichte an der Elbe

400 Jahre Glückstadt: Geschichte an der Elbe

Hafen von Glückstadt an der Elbe
Der Hafen von Glückstadt; Bild: Volker Rauch / Shutterstock.com

2017 feiert Glückstadt an der Unterelbe sein 400. Stadtjubiläum. Während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist die Geschichte Glückstadts eng mit den Anfängen des norddeutschen Westafrikahandels verknüpft. Als offizielles Gründungsdatum Glückstadts gilt der 22. März 1617. An diesem Tag erhält die neue Elbsiedlung mit der Fortuna im Wappen das Stadtrecht verliehen. Initiator der Stadtgründung ist Christian IV. (1577-1648), König von Dänemark und Norwegen, Herzog von Schleswig und Holstein. Christian ist dank der emsig sprudelnden Einnahmen aus dem Sundzoll nicht nur einer der reichsten Monarchen im Norden, sondern auch einer der ehrgeizigsten Fürsten in Skandinavien und dem Heiligen Römischen Reich.

Die Machtambitionen des Dänenkönigs Christian IV.

Christian und seine Berater planen Glückstadt von Beginn an als Garnisons-, Hafen- und Verwaltungsplatz. Die Strukturen der Stadt sind somit unmittelbar auf die besonderen Macht- und Wirtschaftsinteressen Christians im Nordseeraum gerichtet. Das Expansionsprogramm des Barockfürsten ist überaus ambitioniert: Christian IV. will sich ─ in Konkurrenz mit dem Erzrivalen Schweden – die politisch schwachen Fürstentümer des Niedersächsischen Reichskreises einverleiben. Seit 1625 fungiert Christian als höchster Amtsträger des Reichskreises beiderseits des Elbestroms. Seine neue, in niederländischer Festungsbaumanier errichtete Glückstadt soll dabei jederzeit Truppenbewegungen über die Elbe sichern können.

Konkurrenz mit Hamburg um den Elbhandel

Als Hafenplatz indes sind die Planungen vor allem auf das stromaufwärts gelegene Hamburg gerichtet. Glückstadt soll dem Handel der widerspenstigen Elbestadt massive Konkurrenz machen. In seiner Eigenschaft als Herzog von Holstein sieht Christian die alte Hansestadt, zur Erbhuldigung gegenüber dem Landesherrn verpflichtet. Die von Glückstadt aus erstrebte Kontrolle über die Unterelbe und ihre Schifffahrt wird den Handel aus Hamburg wegziehen, so die Erwartung Christians, und den Widerstand der Hamburger gegen den holsteinischen Herrscher allmählich brechen.

Anzeige

Handelsleute und Manufakturisten

Zu diesem Zweck wird Glückstadt nach Kräften als zentraler Handelsplatz, Gewerbe- und Manufakturstandort an der unteren Elbe ausgebaut. Hierfür gewährt Christian IV. Kaufleuten, Handwerkern und Unternehmern weitreichende Gewerbe- und Niederlassungsfreiheiten, Vergünstigungen und Privilegien. Dabei zielt der dänische Fürst nicht allein auf oberdeutsche oder niederländische Handelsleute und Manufakturisten: Um möglichst viele, gerade auch wirtschaftlich potente Zuwanderer nach Glückstadt zu locken, öffnet Christian die Tore der Stadt auch unterdrückten oder verfolgten religiösen Minderheiten. In der holsteinischen Exulanten- und Toleranzstadt gilt Gottesdienstfreiheit. Für reformierte Dissidenten aus den Niederlanden ebenso, wie für die weithin verfemten Mennoniten.

Glückstadts sephardisch-jüdische Gemeinde

Die Glückstädter Bekenntnisfreiheit hat zu Beginn des 17. Jahrhunderts auch eine weitere wichtige Minderheit im Blick: sephardische Juden aus Portugal. Sephardische Familien sind bereits seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert im Norden Europas präsent; insbesondere in Amsterdam und seit den 1590er Jahren auch im Raum Hamburg. Die Sephardim werden vor allem als Gewerbetreibende und als Kaufleute geschätzt. Gerade ihre exzellenten Geschäftsverbindungen in die Mittelmeerregion, nach Brasilien und ab den 1650er Jahren auch nach den Antillen, sind im Norden Europas hoch begehrt. Bis 1623 kann Christian IV. 29 sephardische Familien für Glückstadt gewinnen, die unter anderem auch eine Zuckersiederei und eine Münzstätte in der Festungsstadt etablieren. Die sephardischen Familienoberhäupter erhalten im Gegenzug für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in Glückstadt nicht nur die Gottesdienstfreiheit und religionsrechtliche Autonomie gegenüber der älteren jüdischen Gemeinschaft in Hamburg und Altona: Sie erhalten zudem Sitz und Stimme im Rat ihrer neuen Heimatstadt.

Christians merkantilistische Exulantenstadt

Die Zuwanderer sind in den ersten Jahren wichtige Impulsgeber der lokalen Wirtschaft. Sie errichten Manufaktur- und Verarbeitungsbetriebe und binden gerade als Reeder und Fernhandelskaufleute Glückstadt in ihre weltweit verzweigten Netzwerke ein. Der Fernhandel ist bis zum ausgehenden 17. Jahrhundert ein wichtiger Entwicklungsmotor der Glücksstädter Hafenökonomie. Vom fernen Kopenhagen aus wird diese Entwicklung zunächst nach Kräften mit Privilegien und Patenten befördert. Bereits unter Christian IV. kann sich die merkantilistische Exulantenstadt als wichtiger Stapelplatz für Handelsverbindungen aus dem Nordatlantik und dem Elberaum etablieren.

Christian IV. und der Hohe Norden

Im Hinblick auf den Fern- und Überseehandel ist Christian IV. überaus ambitioniert. Schon 1605 und 1606 lässt er Expeditionen nach den verschwundenen Wikingerkolonien in Grönland aussenden. 1619 schließlich, nur zwei Jahre nach der Gründung Glückstadts, schickt der barocke Dänenkönig eine weitere Erkundungsexpedition in den Hohen Norden. Ziel der waghalsigen Reise in die Arktis: die Suche nach einer Nordwestpassage gen China; die dänische Expedition unter Jens Munk kann jedoch nur bis in die Hudson Bay vorstoßen.

Glückstädter Fernhandel und Schifffahrt

Die wirtschaftlichen Verbindungen mit dem Norden sind während des 17. Jahrhunderts für Glückstadt überaus bedeutsam: So siedelt sich in der Stadt der Fortuna zeitweilig auch eine Walfang-Compagnie an; desgleichen unterhalten isländische und norwegische Handelsgesellschaften in dem königlich-privilegierten Elbhafen Faktoreien und Kontore. Dank seiner Zuwanderer und der Förderung durch das Königshaus kann sich Glückstadt für einige Jahre als niederelbischer Umschlagplatz für Salz aus dem Süden, Zucker aus Brasilien sowie Holz und Walöl aus Skandinavien etablieren. Von den Fracht- und Handelsgeschäften des Hafens profitieren zugleich die örtlichen Manufakturbetriebe, die lokalen Schiffsausrüster und Handwerker ─ vom Schiffszimmermann bis zum Küfer, vom Bäcker bis zum Schlachter. Zusätzlich forciert wird diese Entwicklung durch die unmittelbare Nachbarschaft Hamburgs, dessen Handel während des 17. Jahrhunderts ebenfalls einen kräftigen Aufschwung nimmt.

Die Glückstädter Africanische Compagnie

Bereits ab Mitte der 1640er engagieren sich vereinzelt Reeder und Schiffer über den dänischen Hafenplatz im Westindien- und Guineahandel. Die wachsende Bedeutung des Zuckerrohranbaus auf den Antillen ab den 1650er Jahren steigert zunehmend den Bedarf an afrikanischen Sklaven und damit die Bedeutung des Handels entlang der sogenannten „Goldküste“ im heutigen Ghana. Ende der 1650er Jahre steigen niederländische, dänische und hamburgische Investoren aggressiver in die sogenannte „Guineafahrt“ ein und erhalten hierfür ein „Königlich Dänemarkisches Privileg“. Die von ihnen 1659 gegründete „Africanische Compagnie“ siedelt ihr Kontor in Glückstadt an und verfügt zeitweilig über Forts und Faktoreien im heutigen Ghana und in Sierra Leone. Die Glückstädter Handelsgesellschaft ist offenbar auch im expandierenden Sklavenhandel der Region involviert. Ein weiteres wichtiges Export- und Handelsgut der Glückstädter Compagnie ist Gold.

Eine neue dänische Westindien-Compagnie

Die Geschäfte der Glückstädter Guineafahrer entwickeln sich im Gefolge von Misswirtschaft, Krieg, Korruption und massiven Interventionen der konkurrierenden Westindien-Compagnie der Niederländer nur wenig erfolgreich. Bereits ab 1674 übernimmt eine nunmehr in Kopenhagen ansässige Afrika- und Westindien-Compagnie das Monopol für die dänischen Kommerzien im Mittelatlantikraum. Anders als die Glückstädter Handelsgesellschaft unterhält die sogenannte „Westindische Guineéische Compagnie“ alsbald Plantagenkolonien in der Karibik. Sie legt damit bereits ab den 1670er Jahren die Grundlagen des bis in das 18. Jahrhundert hinein kräftig expandierenden Sklavereisystems der Dänen auf St. Thomas, St. Jean (St. John) und St. Croix.

Kopenhagen, Christianshavn und Altona

Der dänische Übersee- und Nordatlantikhandel konzentriert sich nun verstärkt auf Kopenhagen und sein Kaufmannsquartier Christianshavn sowie auf das seit 1640 dänische Altona. Glückstadts ohnedies schwache Stellung in der Konkurrenz zu Hamburg wird hierdurch um ein Weiteres geschmälert. Ungeachtet des bereits 1672 sich klar abzeichnenden Finanzdesasters der Africanischen Guineischen Compagnie werden vereinzelt noch bis in die 1690er Jahre Fahrten von Glückstadt aus nach Westafrika ausgerüstet. Auch der Westindienhandel spielt in dieser Phase eine gewisse Rolle. Noch im Juli 1687 soll ein Schiff von Glückstadt aus nach Guinea versegelt und von dort, mutmaßlich mit afrikanischen Sklaven an Bord, weiter nach Dänisch-Westindien gefahren sein.

Hamburg und Glückstadt

Dennoch: Der ursprüngliche Plan Christians IV. den Handel von Hamburg nach Glückstadt zu ziehen, muss spätestens in den 1670er Jahren als gescheitert betrachtet werden. Lediglich zwischen 1630 und 1645 kann Christian IV. mit drückenden Zollabgaben gegen hamburgische Schiffe die Hansestadt vorübergehend in Bedrängnis bringen ─ bis der Deutsche Kaiser hiergegen schließlich einschreitet. Dauerhaft kann Glückstadt die Erwartungen des dänischen Königshauses also nie erfüllen. Ohnedies ist der Glückstädter Fern- und Überseehandel beständig von niederländischen, skandinavischen und hamburgischen Kapitalgebern, Kaufleuten und Kapitänen abhängig ist ─ bis hin zu einem schwunghaften Handel mit dänischen Seepässen zwischen Glückstadt, Altona und Hamburg, welchem das dänische Königshaus ab 1691 einen Riegel vorschiebt.

Konkurrenz der niederländischen Westindien-Compagnie

Mit Blick auf den Handel lässt sich die wirtschaftliche Schwäche Glückstadts jedoch nicht allein durch die Konkurrenz Hamburgs und Altonas erklären. Der barocken Ambitioniertheit Christians stehen gerade im Atlantikraum von Beginn an Handelsunternehmungen der Niederländer und partiell auch der Engländer gegenüber; vor allem die Glückstädter Afrika-Compagnie bekommt die Macht der niederländischen Westindien-Compagnie zu spüren. Statt eines Aufstieges zum zentralen dänischen Kriegs- und Überseehafen nahe der Elbmündung entwickelt sich Glückstadt ab der Wende zum 18. Jahrhundert zu einer beschaulichen Garnisonsstadt mit besonderen administrativen Aufgaben an der Südgrenze Dänemarks.

Ausstellungen zur Geschichte Glückstadts 2017

Den überseeischen Handelsverbindungen in der frühen Geschichte Glückstadts widmen sich im Jubiläumsjahr 2017 auch zwei Ausstellungen: So zeigt das stadtgeschichtliche Detlefsen-Museum in der Fortunastadt noch bis zum 17. September eine Schau zur sephardisch-jüdischen Geschichte Glückstadts. Darüber hinaus wird im „Palais für aktuelle Kunst“ die Ausstellung „Darker than Blue – a transatlantic log“ gezeigt. Mit verschiedenen Installationen widmet sich das Kunst-als-Forschung-Projekt von Benjamin F. Stumpf und Antje Feger nicht nur der Glückstädter Guineafahrt, sondern auch den Beziehungen des Glückstädter Zoologen Rudolf von Willemoes-Suhm (1847-1875) mit Karibik und Afrika.

Karibische Kolonialgeschichte an Elbe und Förde

Die Glückstädter Ausstellung „Darker than Blue“ ist mit zwei weiteren Projekten in der Region Hamburg-Schleswig-Holstein vernetzt, die anlässlich des 100. Jahrestages des Verkaufs Dänisch-Westindiens an die Vereinigten Staaten initiiert wurden: der Veranstaltungsreihe „Sankofa, Altona in der Karibik“ sowie der Flensburger Geschichtsausstellung „Rum, Schweiß und Tränen“. Die Ausstellung im Flensburger Schifffahrtsmuseum ist vor allem auf den Zuckerhandel der Fördestadt mit den dänischen Inselbesitzungen in der Ostkaribik gerichtet.

Anzeige