Start Archäologie Yucatán: Niederländisches Schiffswrack entdeckt

Yucatán: Niederländisches Schiffswrack entdeckt

Kanonen einer mutmaßlich niederländischen Fregatte aus dem 18. Jahrhundert am Madagascar-Riff vor der Halbinsel Yucatán. Archivo INAH-SAS. Foto Helena Barba, INAH.

Mexikanische Unterwasserarchäologen des „Instituto Nacional de Antropología e Historia“ (INAH) haben vor der Nordküste von Yucatán ein mutmaßlich niederländisches Schiffswrack entdeckt. Die Fundstelle befindet sich rund 22 Seemeilen von dem mexikanischem Fischerort Sisal entfernt. Das Wrack liegt auf dem Grund eines als „Madagascar“ bezeichneten Felsenriffs. Wie im Dezember 2017 vermeldet wurde, könnte es sich bei dem Wrack um eines von zwei niederländischen Schmugglerschiffen handeln, die im Februar 1722 vor der Küste Yucatáns versanken.

Niederländische Schmuggler 1722 vor Küsten Yucatáns

Von dem Untergang zweier niederländischer Schleichhändler berichtet ein Schreiben des Antonio Cortaire y Terreros, Gubernator im Generalkapitanat Yucatán zwischen 1720 und 1724, an den Indienrat in Sevilla. In seinem Memorandum empfiehlt Cortaire den Verantwortlichen in Spanien, das örtliche System von Wachtposten und Aussichtspunkten entlang der Küste wegen des allgemeinen Schmugglerunwesens in der Yucatán-Region zu überprüfen. Die beiden niederländischen Schiffe gingen offenbar während eines schweren Sturms unter; Überlebende der aus niederländischen und englischen Seeleuten bestehenden Crews konnten jedoch nach Sisal gerettet werden, wie es in den historischen Quellen heißt.

Wrack einer niederländischen Fregatte am Madagascar-Riff

Die nähere Identität der beiden Schleichfahrerwracks am Madagascar-Riff, ist noch unklar. Bisher konnten die mexikanischen Unterwasserarchäologen lediglich ein Dutzend, jeweils 2,5 Meter lange und rund 50 cm breite Kanonen auffinden. Weiteren Aufschluss über die Identität der mutmaßlich 300 t schweren niederländischen Fregatte könnten Untersuchungen eines korallenüberdeckten Hügels an der zentralen Fundstelle des Wracks ergeben. An dieser Position wurden acht der insgesamt 12 Kanonen nebst acht Kanonenkugeln aufgefunden. Um ihr havariertes Schiff flottzukriegen, hatten die Seeleute zuvor offenbar noch vier Kanonen über Bord geworfen. Die vier Geschützrohre wurden in rund 19 Meter Entfernung von der mutmaßlichen Wrackstelle entdeckt. Weitere Erkenntnisse zur Geschichte und Identität der Wracks sollen überdies intensive Quellenforschungen erbringen, unter anderem im „Archivo General de Indias“ in Sevilla.

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Überreste Schiffsartillerie niederländische Fregatte, 18. Jahrhundert, Yucatán
Unterwasserarchäologische Arbeiten an den Überresten der Schiffsartillerie einer niederländischen Fregatte, die möglicherweise 1722 vor der Nordküste Yucatáns versank. Archivo INAH-SAS. Foto Helena Barba, INAH.

Sklaven, Luxusgüter und Färbhölzer

Während sich das mexikanische Sisal heute eher als beschaulicher Fischerort nahe der Bundesstaatskapitale Mérida präsentiert, fungierte die Küstensiedlung im 18. und 19. Jahrhundert als eine der bedeutenderen Hafenplätze an der Nordküste Yucatáns. Neben dem Schmuggel von Sklaven und europäischen Manufaktur- und Luxusgütern könnten die Aktivitäten der beiden niederländischen Schmuggelschiffe auch im Zusammenhang mit dem berühmten Blauholz- oder Campechebaum (palo de Campeche) gestanden haben. Wegen seiner intensiven Farbgebung war zu Pulver zermahlenes Blauholz in der europäischen Tuchproduktion jahrhundertelang äußerst begehrt. ─ Das lukrative Färbholz des Campechebaums zog bisweilen sogar von Jamaika kommende Holzfällertrupps in die Küstenwälder Campeches und Yucatáns. Dort schlugen die Holzfäller das gefragte Blauholz und verluden es anschließend in abgeschiedenen Buchten auf ihre Schiffe.

Karibische Monopolbrecher und Schmuggler

Schleichhändler aus den niederländischen Küstenprovinzen Holland und Seeland bereisten schon während des 17. Jahrhunderts die entlegensten Provinzen und Regionen Spanisch-Amerikas. Dabei brachen sie nicht nur die merkantilistischen Handelsmonopole der spanischen Krone, sondern auch die besonderen Handelsvorrechte der 1621 gegründeten niederländischen Westindien-Compagnie. Der Atlantikverkehr dieser sogenannten „Interloper“ verstärkte sich sogar noch mit dem allmählichen Rückzug der Westindien-Compagnie aus dem Atlantikhandel während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Particuliere, dass heißt auf eigene Rechnung handelnde Kauffahrer und Schmuggelschiffe, nutzen für ihre Fahrten in der Karibik jedoch auch weiterhin etablierte Handelsplätze und Sklavendepots der niederländischen Westindien-Compagnie, wie etwa Curaçao und Sint Eustatius.

12 Kanonen während unterwasserarchäologischer Feldsaison 2017 entdeckt
Insgesamt konnten die mexikanischen Unterwasserarchäologen während der Feldsaison 2017 zwölf Kanonen aus dem 18. Jarhundert vor der Küste Yucatáns identifizieren. Archivo INAH-SAS. Foto Helena Barba, INAH.

Erfolgreiche unterwasserarchäologische Feldsaison 2017

Die unterwasserarchäologische Erkundung des Seegebiets vor der Nordküste Yucatáns durch das INAH ist Teil einer 2003 begonnenen Kampagne zum Schutz maritimer Kulturgüter entlang der nordmexikanischen Küste. Die langjährigen Forschungen vor der Küste Yucatáns finden unter der Leitung der Unterwasserarchäologin Helena Barba Meinecke von der INAH-Abteilung „Arqueología Subacuática“ (SAS) statt. Bei der Identifizierung möglicher Wrackstellen für die Feldsaison 2017 konnten sich die Wissenschaftler der SAS erneut auf die maßgebliche Hilfe lokaler Fischer stützen.

Dampfschiff-Wracks vor der Nordküste von Yucatán

Im Zuge der Feldsaison 2017 wurden infolgedessen auch zwei weitere bedeutende Funde gemacht. Neben den Überresten eines rund acht Meter hohen Leuchtturms aus dem späten 19. Jahrhundert spürten die Unterwasserarchäologen des INAH das Wrack eines Schaufelraddampfers auf. Das gleichfalls aus dem 19. Jahrhundert stammende Schiff wurde rund eine Seemeile nördlich von Sisal entdeckt; aufgrund bautechnischer Details dürfte es in seinen wesentlichen Bestandteilen vor 1870 in Großbritannien erbaut worden sein.

Bereits 2013 hatte ein Forscherteam des INAH unter der Leitung von Helena Barba Meinecke nördlich der Halbinsel Yucatán ein britisches Dampfschiff der legendären „Royal Mail Steam Packet Company“ entdeckt: die HMS FORTH. Die HMS FORTH war am 14. Januar 1849 auf dem Weg nach Bermuda im Bereich des als besonders tückisch geltenden Alacranes-Riffs („Skorpionbank“) gesunken.

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