
Punta de Araya: ein öffentlicher Strand und die Ruinen eines alten spanischen Kastells. Von der venezolanischen Hafenstadt Cumaná ist die schmale Landspitze am Karibischen Meer in nicht einmal 30 Minuten per Schiff zu erreichen. Vor mehr als 400 Jahren kämpfen hier, an der Peripherie des spanisch-amerikanischen Imperiums, niederländische Kaperkaufleute um die Kontrolle karibischer Salzgärten.
Das „weiße Gold“ der Karibik
Lange vor dem Beginn des antillianischen Zuckerbooms gilt Salz als das „weiße Gold“ der Karibik. Zwischen etwa 1590 und 1640 tobt um das westindische Meersalz ein erbarmungsloser Kleinkrieg der Spanier mit Korsaren und Salzdieben. Diese stammen zumeist aus den abtrünnigen Nordprovinzen, den Niederlanden. Angesicht der herausragenden Bedeutung des karibischen Salzes namentlich für die Wirtschaft der „Lägen Lande“ zwischen Friesland und Flandern überrascht dies nicht: Als Würz- und Konservierungsmittel ist Salz vor allem für die niederländische Fisch- und Milchverarbeitung unerlässlich. Zum Einsatz kommt es auch beim Pökeln und Räuchern sowie bei der Salzkonservierung frisch abgezogener Tierhäute.
Karibische Salzpfannen
Bedeutende karibische Meersalzgärten befinden sich vor allem auf den Inseln unter dem Winde und der ihnen vorgelagerten Küsten Venezuelas zwischen Sinamaica und der Península da Pariá. Auf den Kleinen Antillen besitzt vornehmlich die Salina in der heutigen Great Bay von Sint Maarten beträchtliches Potenzial. Die in den Konflikten mit niederländischen Salzfahrern bedeutenden Salinas von Punta de Araya, an der Mündung des Río Unare sowie auf Curaçao, Bonaire und La Tortuga sind den Spaniern zum Teil bereits seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts bekannt. Eine gewisse Bedeutung für spanische Kolonisten erlangt im Osten Venezuelas vornehmlich jedoch die ertragreiche Salzpfanne von Punta de Araya.
Kaperkaufleute und Schleichhändler
Seefahrern aus der Bretagne, der Normandie, England und den Niederlanden dürfte das Gebiet etwa seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts näher vertraut werden. Seit dieser Zeit durchmessen nordwesteuropäische, insbesondere niederländische Kaperkaufleute und Schleichhändler in immer stärkeren Maße das Karibische Meer. Versteckte Buchten und Baien, Inseln und Cayos dienen ihnen als Versorgungspunkte oder als insulare Emporien auf Zeit im Schleichhandel mit spanischen Kolonisten. Besondere Anziehungskraft für die Interloper aus dem Norden besitzt lange Zeit die Perlenfischerei rund um die Insel Cubagua, etwa 40 Kilometer nördlich des 1562 gegründeten Hafenortes Cumaná.
Schiebereien und Raubmord: Die Perlen von Cubagua
Die klandestinen Schiebereien der Westindienfahrer sind überaus gefährlich: Als ein französischer Schmugglerkapitän aus Le Havre 1568 zum Erwerb der kostbaren Perlen von Cubagua an Land geht, geraten er und seine Mannschaft unvermittelt in einen tödlichen Hinterhalt. Der Übergang zwischen der bloßen Jagd auf Monopolbrecher und schlichtem Raubmord ist bei derlei Aktionen durch spanische Kolonisten mitunter fließend, so steht zu vermuten. Doch die Schmuggelgeschäfte mit spanischen Siedlern und korrupten Kronbeamten sind an Venezuelas östlicher Karibikküste das Risiko offenbar wert.
Handel zwischen Nordsee und iberischer Halbinsel
Zwar haben die Schmuggler und Interloper aus dem Nordwesten Europas, wie erwähnt, frühzeitig Kenntnis von den antillianischen und venezolanischen Meersalzsalinen, doch eine regelmäßige Verschiffung des „weißen Goldes“ als Massengut nach den Hafenplätzen entlang von Ärmelkanal und Nordsee erfolgt zunächst noch nicht. Bis in die erste Phase des Unabhängigkeitskrieges zwischen 1581 und 1598 können niederländische Fischfangflotten, Gerbereien und Meiereien hochwertiges „Baiensalz“ weiterhin von der französischen Westküste sowie von der iberischen Halbinsel beziehen. Der Handel mit Spanien, insbesondere von Antwerpen aus, ist seit Jahrhunderten etabliert und eine wichtige Quelle des niederländischen Wohlstands. Die Konkurrenz der Hanse und der anderen Ärmelkanalanrainer haben hier meist das Nachsehen. Vor allem Bauholz, Fisch und Manufakturwaren beziehen die Iberer in den schnellen Fleuten der Niederländer aus dem Norden Europas. Dank niedriger Frachtraten ist die niederländische Kauffahrtei auf den wichtigen Handelsrouten zwischen der Península und dem Norden kaum zu schlagen.
Wirtschaftskrieg mit den abtrünnigen Niederlanden
Ab 1585 gerät dieses merkantile Netzwerk, welches längst auch den Salzhandel mit dem Ostseeraum dominiert, in eine ernste Krise: Mit dem Kriegseintritt Englands aufseiten der niederländischen Rebellen und der Besetzung Antwerpens beginnt die spanische Krone gegen die abtrünnigen Provinzen im Norden aggressiver vorzugehen. Im Handelsverkehr mit den „Lägen Landen“ setzt Spanien nun verstärkt auf ein Wechselspiel aus informellem Wirtschaftskrieg, Embargos, Restriktionen, neuerlichen Handelszugeständnissen und partieller Nachgiebigkeit; — Letztere zumeist aus wohlverstandenem wirtschaftlichen Eigeninteresse und dem wechselnden Kriegsglück der Spanier geschuldet, wie sich 1588 vor den Britischen Inseln erweist, als die Spanische Armada vor Albions rauen Küsten eine schwere Niederlage erleidet.
Kaperungen und Beschlagnahmen
Bis zum Waffenstillstandsvertrag von Madrid 1609 wird die niederländische Handelsschifffahrt immer wieder durch Kaperungen, Schiffsrequirierungen, beschlagnahmte Warenmagazine und festgesetzte Mannschaften beeinträchtigt. Schiffe und Waren verbleiben mitunter über Monate in den Häfen des Nordens und der Península oder müssen mit hohen Bestechungsgeldern freigekauft werden. Die Folge sind rapide Preisschwankungen im Norden wie im Süden sowie eine durch gegenseitige Seebeutenahme gefährdete Schifffahrt.
Alternative Salzquellen diesseits und jenseits des Atlantiks
Der strategisch wichtige Salzhandel leidet im besonderen Maße, denn führende Kreise der niederländischen Regentenklasse sind selbst in Kauffahrer, in Fangflotten und in damit verbundene Kredit- und Versicherungsgeschäfte investiert. Folglich richtet sich das Augenmerk der Generalstaaten nun verstärkt nach alternativen Bezugsquellen für das begehrte „Weiße Gold“. Dass Hollands Salzfahrer hierfür die europäischen Küsten verlassen müssen, ist unvermeidlich. Französischen Meersalzsalinen können den riesigen Bedarf der Handelsmacht im Norden dauerhaft nicht decken. Gleiches gilt für die kapverdischen Salzpfannen vor der Westküste Afrikas, die frühzeitig etwa von Salzfahrern aus dem nordholländischem Hoorn angelaufen werden. Der Blick des niederländischen Handelsbürgertums wendet sich alsbald noch weiter nach Westen, über den Atlantik; und die älteren handelsgeografischen Kenntnisse über die Baiensalzvorkommen an der Peripherie des spanischen Imperiums in Amerika, zwischen Sint Maarten, Venezuela und den Inseln unter dem Winde, gewinnen jetzt rasch an Bedeutung.
Nueva Andalucía y Paria, der Orinoco und El Dorado
Gerade das Gebiet zwischen den Islas la Tortuga, der Isla de Margarita, Punta de Araya und Cumaná erscheint dabei offenbar ideal für die sich nun verstärkende Präsenz niederländischer Seefahrer in der Region: Neben den erwähnten Salzpfannen verfügt der Küstensaum bereits um 1600 über ein Netz aus spanischen Agrarsiedlungen und Hafenplätzen. Diese profitieren partiell auch von ihrer günstigen Lage an der Tierra-Firme-Route der spanischen Silberflotten. Im Zentrum steht hierbei Cumaná. Als Hauptort der Provinz „Nueva Andalucía y Paria“ fungiert Cumaná zeitweilig auch als administrativer und wirtschaftlicher Bezugspunkt der spanischen Ansiedlungen auf Trinidad sowie im Mündungsgebiet des Orinoco. Das Delta gilt als Eingangstor nach dem sagenhaften Goldreich „El Dorado“. 1584 startet von Cumaná eine erste spanische Expedition nach jenem mystischen Goldland. Rund zehn Jahre später verfügen die Spanier mit der Siedlung Santo Tomás de Guayana bereits über einen ersten wichtigen Stützpunkt am Orinoco, tief im Hinterland von Nueva Andalucía und Guyana.
El-Dorado-Aventürer
Mitte der 1590er Jahre befinden sich die Spekulationen um El Dorado und die Reichtümer Guyanas auf einem ersten Höhepunkt. Das in der Nähe eines geheimnisvollen Sees vermutete Königreich lockt nun auch niederländische und englische „Aventürer“ in die Urwälder der sogenannten „Wilden Küste“ von Guyana. Ihre reichlich erfolglosen Expeditionen verlieren sich rasch im Nichts des Dschungels. Zuweilen scheitern bereits ihre Versuche, auf Trinidad und in den großen Flussdeltas Versorgungsstützpunkte zu errichten, an spanischem und indigenem Widerstand. In Verbindung mit dem Schmuggel und der Edelmetallspekulation ziehen nun immer mehr Interloper in das Gebiet. Immer häufiger kreuzen sie nun zwischen der Costa de las Perlas und der Wilden Küste.
Cumanás Schleichhändler und Schmugglermärkte
Englische Freibeuter und El-Dorado-Aventürer sichten 1595 gleich mehrere dieser Schmugglerschiffe vor Cumaná. Der wohl berühmteste englische El-Dorado-Abenteurer, Walter Raleigh (1552 oder 1554-1618), berichtet gar von einem geheimen Treffpunkt spanischer Kolonisten mit Schleichhändlern; dieser befände sich westlich von Cumaná. Die Schmuggler bieten ihre Waren wie auf einem öffentlichen Markt unmittelbar an der Küste feil. Mehrere dieser Schiffe gehören auch der weitverzweigten Antwerpener Kaufmannssippe de Moucheron. Nach dem Fall der Scheldestadt haben sich die Häupter dieser Commerzantenfamilie zum Teil im seeländischen Middelburg niedergelassen. Einer ihrer erfolgreichsten Sprösslinge, der ebenfalls nach 1585 in Middelburg geflohene Balthazar de Moucheron (1552-um 1630), entsendet seine Schiffe nicht nur nach Westafrika und in die Karibik, sondern bis nach Ostindien.
Salz, Tabak und Arzneipflanzen
Es ist anzunehmen, dass diese nordwesteuropäischen Monopolbrecher vor ihrer Rückfahrt über den Atlantik vereinzelt bereits die Salzpfannen entlang der venezolanischen Küste anzulaufen versuchen, allem voran Punta de Araya — wann immer es ihnen möglich und opportun erscheint. Das südamerikanische Baiensalz gesellt sich in den Laderäumen ihrer Schiffe meist zu spanischem und indigenem Tabak, zu Färbhölzern sowie Arzneipflanzen von der Wilden Küste und aus dem Orinocodelta.
Das spanische Handelsembargo von 1598 und die Folgen
1598 kommt es schließlich zu einem lang befürchteten Embargo gegen die niederländische Schifffahrt nach Spanien und Portugal. Die niederländischen Salzreeder reagieren schnell: Bereits ein Jahr nach dem spanischen Boykott taucht eine erste große niederländische Salzfahrerflotte vor Punta de Araya auf. Die Schiffe stammen vor allem aus den Zentren des west-friesischen Fischfangs, aus Hafenstädten wie Hoorn, Enkhuizen und Medemblik. Die west-friesischen Zoutvaerders bleiben nicht immer unentdeckt. Doch das spanische Küstenverteidigungssystem ist meist viel zu schwerfällig. Zuweilen liegen ohnedies wohl nur wenige Tage zwischen dem Auffinden einer emsig arbeitenden Salzfahrerflotte und einer möglichen militärischen Reaktion durch die Befehlshaber in Cumaná. Angesichts ihrer schieren Zahl wirkt die bloße Anwesenheit der Salzfahrer meist aber schlicht abschreckend auf die Verantwortlichen. Forderungen nach einer verstärkten Präsenz von Küstengaleeren und Patrouillenbooten verhallen am spanischen Hof lange Zeit ungehört.
Die Qualität der Salzpfanne von Punta de Araya
Punta de Araya bietet den niederländischen Salzfahrern nicht nur hohe Salzqualitäten; die besonderen geografischen und klimatischen Bedingungen der Küstenregion um Cumaná sorgen auch für rasche Verdunstungsintervalle und damit für eine schnelle Neubildung von Salzschichten im Rhythmus weniger Wochen. Somit können auch aufeinanderfolgend eintreffende Salzfahrerflotten in den Salzgärten ernten. Die Windverhältnisse vor Ort und die Aridität des Gebiets bieten zwar ideale Bedingungen für eine mehrmonatige, hochergiebige Meersalzgewinnung an der Punta de Araya; doch für die Arbeiter auf dem Strand und in den Salzpfannen ist es eine Tortur.
Zoutvaerders: Hitzschläge und brennendes Salz
Der beständige Abtransport des Meersalzes in Schubkarren nach den Laderäumen der Fleuten ist im Tropenklima der Karibikküste eine besonders kräftezehrende Arbeit. Die Salzfahrer kämpfen regelmäßig mit Hitzeschlägen. Je nach Bedrohungslage wird die Salzernte meist in die Abend- und Nachtstunden verlegt. Doch auch wenn sie in den kühleren Nächten der Hitze und dem permanenten Glitzern des Salzes entgehen können, plagen die Zoutvaerders in der Dunkelheit Moskitos, Wassermangel und das unentwegt in allen Poren und Rissen ihrer Haut brennende Salz. Nicht wenige Salzfahrer müssen in den Dünen begraben werden.
Die niederländischen Salzfahrer als Küstenkaperer
Die Zoutvaerders verfügen vielfach auch über niederländische Kaperbriefe und kombinieren die Ernte in der Salzpfanne von Punta de Araya mit Schmuggelgeschäften und Seeraub entlang der Küste. Dabei herrscht eine einfache Arbeitsteilung vor: Während die großen Salzfleuten an der Punta de Araya beladen werden, machen kleine Schaluppen Jagd auf Fischerboote und die Küstenkauffartei der spanischen Kolonisten. 1601 gelingt auf Margarita gar die Entführung eines spanischen Kronbeamten mitsamt eines üppigen Steuerschatzes aus Perlen. Die Präsenz der Dutzende von Schiffen umfassenden Salzfahrerflotte stört also auch beständig den interkolonialen Handel.
Ein niederländisches Fort an der Punta de Araya?
Frühzeitig dringen Warnungen nach Spanien, die Niederländer könnten sich dauerhaft an der Salzpfanne von Punta de Araya festsetzen. Namentlich eine niederländische Befestigung am westlichen Zugang der Salinas droht; sofern die spanische Krone nicht mit der Errichtung eines eigenen Kastells den piratischen „Luteranos“ und Salzdieben zuvorkommt. Besonders wahrschaut der seit 1600 in Nueva Andalucía amtierende Generalkapitän Diego Suárez de Amaya (um 1562-?) vor einer dauerhaften Etablierung der Niederländer an der Küste der Tierra Firme. Amaya ist nicht nur auf den Schlachtfeldern Flanderns und Italiens erfahren: zwischen 1595 und 1596 ist Amaya auch an den Kämpfen gegen englische Freibeuterkommandos im Küstendschungel Panamas beteiligt gewesen. In deren Gefolge starben auch die Anführer der Privateers, die berüchtigten englischen Kaperkapitäne John Hawkins und Francis Drake.
Afrikanische Sklaven für Punta de Araya
Neben dem Bau einer Festung zum Schutz der Salzpfanne verbleibt den Spaniern noch eine drastischere Gegenmaßnahme: die Zerstörung der Meersalzsaline von Punta de Araya. Doch erst 1604 kann eine Untersuchung des Areals an der Punta de Araya durch spanische Militäringenieure angestrengt werden. Die aus Cadíz entsandten Baumeister kommen zu dem Schluss, dass eine dauerhafte Zerstörung der Salzgärten durch ein Kanalsystem bewerkstelligt werden könnte, was weitaus kostengünstiger ist als ein Fort. Zynisch empfiehlt der verantwortliche Festungsbaumeister Bautista Antonelli (1547-1616) hierfür die Entsendung von 500 sogenannten „Bozales“, das heißt, unmittelbar aus Afrika verschleppten Sklaven; nicht hispanisiert und christianisiert, zudem ohne jede Erfahrung als Bausklaven, gelten sie in menschenverachtender Weise als entbehrlicher Kostenfaktor an der unwirtlichen Salzküste Venezuelas. So kalkuliert Antonelli gegenüber Madrid bewusst ihren massenhaften Erschöpfungstod an der Punta de Araya ein: Dies „erspare“, so Antonelli lakonisch, der Krone den Rücktransport der nicht-akkulturierten Sklaven.
„Armada de Barlovento“: Die Spanier schicken ihre Westindienflotte
Der Druck auf die Spanier wächst. Zwischenzeitlich berichten spanische Spione von der Ankunft einer noch größeren Salzfahrerflotte für das kommende Jahr; darunter wohl vereinzelt auch Schiffe aus England, der Bretagne und der Normandie. Die Kastilier befürchten, dass die niederländischen Rebellen nun tatsächlich Punta de Araya fortifizieren könnten. In Verbindung mit eigenen Damm-, Parzellierungs- und Kanalbauten wären die Niederländer mittelfristig sogar in der Lage, die Ergiebigkeit der Salzgärten für ihre Fangflotten, Meiereien und Manufakturen noch einmal zu steigern.
Hierauf setzen die Spanier 1605 zum entscheidenden Schlag gegen das niederländische Kaper- und Interloperunwesen an und entsenden ihre neu gegründete Westindienflotte, die sogenannte „Armada de Barlovento“, über den Atlantik. 18 schwer bewaffnete Kriegsschiffe unter dem Kommando des Luis Fajardo y Chacón (?-1615) sollen den Monopolbrechern aus den abtrünnigen Nordprovinzen den Garaus machen.
Das Massaker von Punta de Araya 1605
Am 6. November 1605 schlagen die Spanier zu. Die Armada de Barlovento kann vor Punta de Araya wahrscheinlich 13 Schiffe aufbringen, anderen Seefahrzeugen gelingt noch rechtzeitig die Flucht. Berichten zufolge können die Spanier auf dem Strand und in den gekaperten Schiffen dennoch rund 400 See- und Schauerleute gefangen nehmen. Der größte Teil von ihnen wird binnen Kurzem als „Ketzer“ und „Piraten“ erhängt oder ertränkt. Unter ihnen ist auch der Anführer der „Piratas“ aus dem Norden, Daniel de Moucheron. Der Spross des erwähnten Kaufmannsgeschlechts de Moucheron, der als eine Art Flottenadmiral der Salzfahrer amtiert haben könnte, wird kurzerhand auf einer Anhöhe über der Salzpfanne von Punta de Araya aufgeknüpft. Wer jetzt noch die Gnade der befehlshabenden Spanier findet, wird zum Dienst auf spanischen Küstengaleeren nach Cartagena verurteilt.
Die Folgen des Massakers in den Niederlanden
Das brutale Ende der Salzfahrerflotte von 1605 an der Punta de Araya hat auch auf der anderen Seite des Atlantiks unmittelbare wirtschaftliche Folgen: Das Ausbleiben der jährlichen Zoutvaerders aus Westindien erschüttert den niederländischen Salzmarkt, treibt die Preise, steigert aber bei einigen Reedern offenbar auch die Risikobereitschaft, weitere Schiffe über den Ozean zu schicken. — Und so sind bereits im nächsten Jahr die ersten Salzfahrer aus den Vereinigten Provinzen wieder zurück in der Karibik. Das Massaker auf dem Strand von Punta de Araya hat der niederländischen Salzfahrt perspektivisch dennoch einen Schlag versetzt: Von einer Befestigung der Salzpfanne ist niederländischerseits nun nicht mehr die Rede.
Spanien in der Krise
Doch auch die Spaniarden sehen aufgrund leerer Kassen von einer Fortifizierung oder Flutung der Salzpfanne vorerst ab. Spanien steckt zunehmend in einer Krise: Der spanische Bullionismus lässt die Wirtschaft immer mehr verfallen, zudem erschüttern Finanzskandale die Monarchie. 1596 hat das Land neuerlich den Staatsbankrott erklären müssen; überdies wütet bis 1602 eine schwere Pestepidemie auf der iberischen Halbinsel. Komplizierte und teure Festungsbauprojekte am Rande des spanisch-amerikanischen Imperiums kümmern in Spanien derzeit kaum.
Die Gründung der niederländischen Westindien-Compagnie 1621
Die zunehmende Krise treibt die spanische Monarchie schließlich in einen demütigen Waffenstillstandsvertrag mit den widerspenstigen Rebellen aus den Nordprovinzen. Das hat auch Folgen in Amerika: Als die beiden Kriegsparteien im April 1609 einen Waffenstillstand unterzeichnen (Twaalfjarig Bestand) kommt die karibische Salzfahrt der niederländischen Seestädte für Jahre weitgehend zum Erliegen. Bis etwa 1621 können die Niederlande ihr Salz nun wieder von der iberischen Halbinsel beziehen. Fahrten nach Westindien werden somit unprofitabel. Die wirtschaftliche Lage für West-Frieslands Salzimporteure verschlechtert sich erst wieder, als sich 1621 die niederländische Westindien-Compagnie (WIC) etabliert. Ihre Gründung führt notwendig zu schweren Verwerfungen mit Spaniens merkantilistischer Handels- und Kolonialpolitik; obendrein beansprucht die halbstaatliche Aktiengesellschaft auch selbst Monopole, darunter die Salzfahrt für den gesamten Atlantikraum — unter Einschluss der karibischen Salzpfannen. Dies führt folgerichtig auch zu Spannungen innerhalb der niederländischen Handelsoligarchie.
Die WIC als antispanische Kaper- und Handelsorganisation
Mit der WIC versuchen die Niederländer vor allem aber, ihre militärischen und merkantilen Kräfte zu bündeln: und zwar in der gesamten westlichen Hemisphäre: von den Pelzjagdgebieten am Hudson, den Sklavenhandelszonen Westafrikas und den Salzpfannen der Karibik, bis hin zu den Zuckerkapitanien der Portugiesen in Brasilien. Die niederländische Westindien-Compagnie ist als direkte Kampfansage an die iberische Doppelmonarchie zu verstehen und entwickelt sich zeitweilig auch tatsächlich zu einer gefährlichen Kaper- und Kriegsorganisation im Atlantikraum. Obgleich von einflussreichen niederländischen Regenten protegiert, kann sich auch die WIC vorerst jedoch nicht den Einflussnahmen der west-friesischen Zoutvaerders bei den Generalstaaten entziehen. So wird die ergiebigste Salina der Karibik, Punta de Araya, auf west-friesischen Druck hin 1621 vorübergehend von den großzügigen Monopolrechten der Westindien-Gesellschaft im Atlantikraum ausgenommen.
Die niederländische Salzfahrerflotte von 1621
1621 erreicht schließlich die militärisch bis dato stärkste Salzfahrerflotte der Niederländer Punta de Araya: Allein 500 Arkebusiere und Musketiere sollen sich an Bord des Konvois befunden haben. Die massive Bewaffnung kann ein Massaker wie im Jahre 1605 zwar verhüten; doch die spanische Küstenverteidigung sucht jede noch so kleine Schwäche der Salzfahrer auszunutzen: So gelingt ihnen etwa in jenem Jahr ein brutaler Hinterhalt an einer abgelegenen Frischwasserquelle. 21 Niederländer kommen hierbei zu Tode. Die üppigen Salzernten der Niederländer an der Punta de Araya beeinträchtigen diese Attacken jedoch kaum.
Neue Festungsbaupläne mithilfe der Antonellis
Um die Niederländer dauerhaft von den Salinas an der Punta de Araya fernzuhalten, erscheint der Bau einer Festung spanischerseits nun unumgänglich. Erneut werden hierfür Vertreter der Festungsbaumeisterdynastie Antonelli beauftragt: Cristobal de Roda Antonelli (1560-1631) und Juan Bautista Antonelli, „El Mozo“ (1585-1649); Letzterer weilte bereits 1604 mit seinem Vater Bautista Antonelli am Punta de Araya. Der jüngste Abkömmling dieser italienischstämmigen Familie von Festungsbauingenieuren wächst allmählich nun selbst in eine verantwortliche Position. Bald untersteht ihm mit Punta de Araya ein neues Kernstück des kolonialen Verteidigungswesens an der venezolanischen Salz- und Perlenküste.
Kämpfe um die Salzpfannen von Punta de Araya 1622/1623
Die Kombination aus navaler Schlagkraft seitens der „Holandeses“ und der beginnenden spanischen Fortifizierung der Punta de Araya kulminiert zwischen November 1622 und Januar 1623 schließlich in einer Reihe erbittert geführter See- und Landoperationen. Um die Fortifizierungsarbeiten an der Punta de Araya augenblicklich zu unterbinden und sich die Salina endlich dauerhaft zu sichern, landen die Niederländer rund 1.000 Kämpfer und schweres Geschütz auf den Strand. Bei den nun ausbrechenden Gefechten kommen auf spanischer Seite auch Hunderte indigene Bogenschützen zum Einsatz. Die kampferprobten Indios könnten am Ende auch ausschlaggebend gewesen sein: Die niederländischen Einheiten müssen sich schließlich wieder zurückziehen; ihre Fleuten und Schaluppen fliehen aufs Meer; und eine rasche Rückkehr auf die Reede vor Punta de Araya ist angesichts der Präsenz spanischer Geschützbatterien ausgeschlossen. Für den neuen Generalkapitän in Cumaná, Diego de Arroyo Daza, ist es ein fulminanter Sieg gegen die niederländischen Salzfahrer und die neugegründete Westindien-Compagnie: Über 100 niederländische Salzfahrerschiffe kehren mit leeren Laderäumen in die Häfen der Vereinigten Provinzen zurück.
Die „Real Fuerza de Santiago de Arroyo de Araya“
Und was noch schlimmer wiegt: Weitere Salzfahrerflotten und Schiffszüge aus den Niederlanden werden in den Folgejahren nun regelmäßig an der Punta de Araya zurückgewiesen. Die permanente Präsenz größerer Militär- und Sklavenverbände der Spanier und die stetig voranschreitenden Fortifizierungsarbeiten versperren den Zoutvaerders nun dauerhaft den Zugang zu den Salzgärten von Punta de Araya. Die Fertigstellung des Kastells zieht sich zwar noch jahrzehntelang hin. Doch bereits 1625 ist die erste Bastion der Festung abgeschlossen. — Ein entscheidender Schritt, denn jede niederländische Anlandung kann fortan mit Geschützfeuer und Mörsern belegt werden. Selbstbewusst erhält das spanische Fort schließlich den Namen „Real Fuerza de Santiago de Arroyo de Araya“ und verbindet hierdurch symbolisch Spaniens Nationalheiligen Santiago el Mayor mit dem Sieger von 1623, Capitán General Arroyo. Nach dem Tod Cristobal de Roda Antonellis 1631 übernimmt Juan Bautista Antonelli, „El Mozo“, die Aufsicht über das Festungswerk, verbunden mit dem prestigeträchtigen Posten einer Art Generalfestungsbaumeisters für „Indien“ mit Dienstsitz in Cartagena. — Noch zu seinen Lebzeiten, 1642, kann Juan Bautista Antonelli die Real Fuerza de Santiago de Arroyo de Araya endlich fertigstellen.
Bonaire, Sint Maarten und Curaçao als niederländische Salzeilande
Doch die entscheidenden historischen Weichenstellungen vollziehen sich noch während der unruhigen 1620er Jahre. Nach dem Verlust ihrer wichtigsten Salzpfanne 1623 sind die Niederländer neuerlich zur Suche nach alternativen Bezugsquellen für das begehrte Baiensalz aus der Karibik gezwungen. In den Fokus nehmen die Niederländer nunmehr Gebiete westlich und nördlich der Punta de Araya; etwa Bonaire, von wo 1624 erstmals kleinere Salzlieferungen nach den Niederlanden gelangen; sowie die nördlich gelegenen Inseln über dem Winde, insbesondere Sint Maarten. Die wertvollen Salzpfannen auf Sint Maarten geraten vermutlich bereits Mitte der 1620er in den Blick, werden aber erst zwischen 1631 und 1633 auch mit einer kleinen Palisadenfestung geschützt. Die Besetzung Curaçaos 1634 ist ebenfalls unmittelbar an die Suche nach neuen Baiensalzquellen gebunden, bleibt aber langfristig unter den Erwartungen der nun allseitig dominierenden Westindien-Compagnie. — Um die Mitte der 1620er Jahre ist es somit zunächst das Punta de Araya benachbarte Salzeiland La Tortuga, das wichtige strategische Bedeutung erlangt.
Die Salzpfanne von La Tortuga
Unterschätzen spanische Offizielle zunächst die Ergiebigkeit der Salzpfanne von La Tortuga, gelingen niederländischen Salzfahrern dort bereits 1630 größere Salzernten. Die Niederländer nutzen hierfür insbesondere künstlich angelegte Kanäle, über die nach Bedarf Meerwasser zugeleitet werden kann. Auch auf La Tortuga liefern sich die niederländischen Salzfahrer immer wieder Versteckspiele und Scharmützel mit der beständig unterfinanzierten spanischen Küstenverteidigung. In einer besonders turbulenten Phase überseeischer Rivalitäten in der Karibik greifen spanische und indigene Einheiten 1630 schließlich dort vor Anker liegende Salzfahrer aus den Niederlanden massiv an. Blitzartig entern sie die Salzfleuten vor La Tortuga und verüben in Mann-gegen-Mann-Kämpfen ein weiteres blutiges Massaker an Salzfahrern aus dem Norden.
Gefechte um La Tortuga und die Salinas vom Río Unare
Noch mehrere Jahre ringen die Niederländer um die Kontrolle der ergiebigen Salzpfanne von La Tortuga. Immer wieder kehren Salzfahrerflotten aus den Niederlanden dorthin zurück. Seit 1629 besteht niederländischerseits für die Salzinsel formell gar ein sogenanntes „Patronat“, eine Art Nutzungspatent der niederländischen Westindien-Compagnie für kapitalkräftige, privilegierte Anteilseigner der Gesellschaft. Ein kleines Holzfort mitsamt einer fast sechs Meter hohen Geschützplattform sowie Verteidigungsgräben wird zuletzt zum Schutz der Salina errichtet, fällt jedoch 1638 endgültig einem spanischen Sturmangriff zum Opfer. Die Spanier können bei ihrer Bestürmung schlussendlich die zwei Meter hohen Holzpalisaden mit Äxten aufbrechen und somit in das Innere der Festung dringen. Das grausame Gefecht fordert 1638 allein auf niederländischer Seite rund 50 Tote. Die auf dem gegenüberliegenden Festland 50 km südlich an der Mündung des Río Unare befindlichen Salinas werden nach spanischen Attacken 1640 von den Zoutvaerders ebenfalls aufgegeben. Diese dritte Salzbezugsquelle der niederländischen Salzfahrer wird vermutlich nach dem Fall Sint Maartens 1633 verstärkt genutzt und verfügt zuletzt über eine Art Fertigbaufort.
Das Ende der Real Fuerza de Santiago de Arroyo de Araya
Nederlands Salzimporteure retten 1640 reichlich unverhofft die sich jetzt deutlich verändernden politischen Verhältnisse im Atlantikraum: Portugal schert 1640 aus der Personalunion mit Spanien aus und öffnet neuerlich seine Salzhäfen für die Flaminge. — Ungeachtet der fortgesetzten Kämpfe mit der Westindien-Compagnie im Nordosten Brasiliens. Die zunehmende Erschöpfung Spaniens auf den Schlachtfeldern Europas sichern den Vereinigten Provinzen 1648 im Westfälischen Frieden schließlich sogar die dauerhafte Kontrolle über die größte Salzpfanne auf Sint Maarten an der heutigen Great Bay. Der jahrzehntelange Kleinkrieg um die Salzeilande und -lagunen der Karibik ist damit faktisch beendet. Die 1642 fertigstellte Real Fuerza de Santiago de Arroyo de Araya hat also in den 1640er Jahren bereits keinen besonderen strategischen Nutzen mehr für Spanien. 1762 wird die Festung am Punta e Araya von den Spaniern endgültig aufgegeben und teilweise gesprengt.
Literatur
- Andrzej Antczak, Konrad A. Antczak und Ma. Magdalena Antczak, Risky business: historical archaeology of the Dutch salt enterprise on La Tortuga Island, Venezuela (1624–38). In: Post-Medieval Archaeology, volume 49 (2015), no. 2, S. 189-219.
- Cornelis Christiaan Goslinga, The Dutch in the Caribbean and on the Wild Coast, 1580-1680. Assen 1971.