Start Politik Republik Barbados 2021 — historische Kontexte

Republik Barbados 2021 — historische Kontexte

Flagge Republik Barbados 2021 Feierlichkeiten
Republik Barbados: Angehörige der barbadischen Küstenwacht beim Einholen des sogenannten „Royal Standard“ der britischen Königin Elizabeth II. am späten Abend des 29. Novembers auf dem „National Heroes Square“, Bridgetown. Die Inauguration der ersten Präsidenten der Republik Barbados, Sandra Mason, erfolgte sodann um Mitternacht. Credit: PA Images / Alamy Stock Foto

Am 30. November wurde die 72-jährige Juristin Sandra Mason als erste Präsidentin der Republik Barbados vereidigt. Die Inauguration fiel zugleich auf den barbadischen Unabhängigkeitstag; die Karibikinsel hatte am 30. November 1966 ihre Selbstständigkeit von Großbritannien erlangt. Bereits im Monat zuvor, am 20. Oktober, war Mason durch das barbadische Unterhaus zur Präsidentin gewählt worden. Damit ersetzt Mason das bisherige Staatsoberhaupt der Antilleninsel, die britische Königin Elizabeth II., als deren Generalgouverneurin Mason seit 2018 amtierte. Sandra Mason, die in ihrem neuen Amt insbesondere repräsentative Aufgaben übernehmen soll, ist zunächst für vier Jahre gewählt; kann jedoch gemäß der barbadischen Verfassung für eine zweite Amtszeit wiedergewählt werden. Die politische Macht auf der Karibikinsel verbleibt weiterhin beim barbadischen Premier und seinem Kabinett.

Republik Barbados: Zeremonie auf dem „National Heros Square“

Die Amtseinführung Masons in der Nacht vom 29. auf den 30. November fand im Beisein des britischen Thronfolgers Charles, dem „Prince of Wales“, statt; das Zeremoniell auf dem zentralen „National Heroes Square“ in der Hauptstadt Bridgetown schloss zugleich den Übergang Barbados‘ von einer konstitutionellen Monarchie zu einer parlamentarischen Republik ab. Mit der Transformation verbunden ist auch eine formelle Übertragung bisherigen Eigentums der britischen Krone in seinem „Commonwealth realm“ — an die nunmehrige Republik Barbados. Dessen ungeachtet hält die neue Inselrepublik auch weiterhin am bikameralen System der Westminster-Demokratie fest und verbleibt auch im sogenannten „Commonwealth of Nations“.

Karibische Republiken: Guyana, Trinidad und Tobago, Dominica

Zu dieser politischen Vereinigung gehören bereits drei karibische Republiken: Guyana, Trinidad und Tobago sowie Dominica. Die Republikanisierung dieser einstigen Plantagenkolonien vollzog sich in den Jahren zwischen 1970 und 1978; einer wesentlich durch geopolitische und soziale Konflikte geprägten Ära, auf welche die postkoloniale Staatenwelt der Karibik ab den 1960er-Jahren mit weitreichenden Reformen reagierte, insbesondere im Bildungs- und Landwirtschaftssektor; unter sowjetisch-kubanischen Einfluss, direkt oder indirekt, bis hin zur Verstaatlichung ganzer Wirtschaftsbereiche, etwa in Guyana.

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Barbados‘ Labour-Traditionen

Auch Barbados, politisch tief geprägt durch die Opposition gegen die lokale, zumeist britischstämmige Pflanzeroligarchie ab den 1930er-Jahren, hatte an diesen Entwicklungen zwischen den imperialen Blöcken Anteil. Traditionell durch Mitte-links- respektive links-sozialdemokratische Parteien regiert, unternahm bereits die Regierung Tom Adams‘ (1976-1985) von der „Barbados Labour Party“ (BLP) erste Versuche zur Einführung der republikanischen Staatsform; sie kam 1979 jedoch nicht über die Einrichtung einer parlamentarischen Prüfungskommission hinaus. Ein ähnlich gerichteter Parlamentsausschuss empfahl zwar 1999 dezidiert die Einführung der Republik; eine konkrete Umsetzung, etwa durch ein Referendum, scheiterten für die BLP jedoch an der für eine Verfassungsänderung notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit.

Republikanisierung und Dekolonisation

Diese Erfahrung machte auch der ab 2010 regierende Premier Freundel Stuart von der „Democratic Labour Party“ (DLP), dem weiter links stehenden Erzrivalen der BLP, die ihrerseits das prestigeträchtige Projekt einer künftigen „Republik Barbados“ verfolgte. Stuart betrachtete die Republikanisierung Barbados‘ als konsequenten Abschluss des 1966 begonnenen Dekolonisationsprozesses und strebte die Einführung der Republik zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit von Großbritannien an.

Super-Majorität im barbadischen Unterhaus

Mit dem erdrutschartigen Sieg der BLP bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 änderten sich die Kräfteverhältnisse dann jedoch entscheidend: Die „Barbados Labour Party“ errang seinerzeit 73,47 % der Stimmen, während die „Democratic Labour Party“ nach zehn Jahren in der Regierung sämtliche Unterhaussitze verlor; eine späte Wirkung der Finanzkrise von 2008, welche dem Inselstaat eine stetig steigende Verschuldungslast beschert hatte — bei gleichzeitiger Absenkung seiner Bonität. Barbados‘ erste Premierministerin Mia Mottley nutzte die Super-Majorität im barbadischen Unterhaus nun zielstrebig für eine Verfassungsänderung; eine noch in den 1990er-Jahren durch die „Barbados Labour Party“ verfochtene Strategie, die republikanische Staatsform per Volksabstimmung einzuführen, wurde nun nicht mehr weiter verfolgt. — Anlass für weitreichende Kritik am Vorgehen der Regierung.

Der „WINDRUSH-Skandal“ und Barbados

Zugleich profitierte die Mottley-Administration in dieser Phase von verschiedenen Einflussfaktoren in der öffentlichen Meinung: neben teils prominenten Unterstützern innerhalb der barbadischen Zivilgesellschaft, insbesondere von den Wirkungen einer brisanten politischen Affäre in Großbritannien ab November 2017, dem sogenannten „WINDRUSH-Skandal“ um die illegale Abschiebung anglo-karibischer Migranten aus dem Vereinigten Königreich. Der sich hierbei neuerlich offenbarende institutionelle Rassismus wurde zudem im Gefolge der US-amerikanischen „Black-live-matters“-Bewegung auch in Barbados in einem breiteren globalen und sklavereigeschichtlichen Horizont rezipiert.

Newton Plantation: Sklavereigeschichtliche Gedenkstätte geplant

Nur eine Woche nach der Zeremonie auf Bridgetowns „Heldenplatz“ verkündete die Regierung Mottley einen weiteren, geschichtspolitisch bedeutsamen Akt; geplant für den ersten Jahrestag der Einführung der Republik am 30. November 2022: die Grundsteinlegung für eine integrierte sklavereigeschichtliche Gedenkstätte der Republik, nebst Forschungseinrichtungen und Museum. Der sogenannte „Barbados Heritage District“ soll an historischer Stelle errichtet werden; auf einem in den 1970er-Jahren entdeckten Friedhof für etwa 570 Versklavte einer ehemaligen britischen Plantage im Süden von Barbados, genannt „Newton Plantation“. Die Gestaltung des Erinnerungsareals auf Barbados übernimmt der ghanaisch-britische Architekt David Adjaye.

Die Zuckerinsel und das Ende der Sklaverei auf Barbados 1834/38

Barbados gilt als Geburtsstätte der Plantagenökonomie in den „English Caribbees“. Seine überwiegend von den Britischen Inseln stammende Pflanzerelite begann in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit dem Anbau von Zuckerrohr und führte bereits 1661 einen „Slave Code“ ein, der drakonische Strafen gegen Versklavte vorsah. Allein zwischen 1640 und 1700 wurden schätzungsweise 134.500 Afrikaner und Afrikanerinnen nach Barbados verschleppt; etwas mehr als die Hälfte aller Sklaven, die seinerzeit nach den „English Caribbees“ verbracht wurden. 1834, dem Beginn des Emanzipationsprozesses in Britisch-Westindien, zählte die Zahl der Versklavten auf Barbados noch etwa 83.000 Menschen; rund 80 % derselben, die als „arbeitsfähig“ geltenden Erwachsenen, wurden im Rahmen der britischen Abolitionspolitik zunächst noch in ein mehrjähriges „Lehrverhältnis“ an ihre einstigen Versklaver zwangsgebunden und sodann im August 1838 ebenfalls befreit.

Barbados‘ „Nationalhelden“

Nur rund 20 Jahre zuvor war Barbados durch die größte Sklavenrevolte seiner Geschichte erschüttert worden. Die Rebellion unter dem Kommando des gebürtigen Afrikaners Igbo Bussa wurde durch britische Truppen niedergeschlagen und führte im weiteren Verlauf zur Exekution von 214 Versklavten. 1998 erklärte das Parlament von Barbados Igbo Bussa zum ersten barbadischen „Nationalhelden“; diese Ehre wurde bislang insgesamt elf Barbadiern zuteil; zuletzt am 30. November der auf Barbados geborenen Musikerin und Unternehmerin Robyn Rihanna Fenty, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen „Rihanna“.

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