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Studie: Extinktionsereignisse auf Hispaniola

Schädel Nagetier aus Hispaniola Extinktionsereignisse
Schädel eines hispaniolischen Nagers. Credit: Florida Museum photo by Kristen Grace

Einst wies die Antilleninsel Hispaniola die größte Dichte an Nagetieren in der Karibik auf. Elf verschiedene Arten von Nagern konnten bisher identifiziert werden. Heute ist lediglich noch eine Art existent: Das sogenannte „Cuvier-Zaguti“ oder „Eigentliche Zaguti“ (Plagiodontia aedium), ein Nager aus der Unterfamilie der Baumratten; und auch diese Hutia-Art ist auf Hispaniola inzwischen stark gefährdet. 20 Mio. Jahre lebten Hutias und mit ihnen trophisch verbundene Säugetier- und Vogelarten auf der Karibikinsel. Doch wann starben die Rodentia aus? Und war die Extinktion dieser Nagetierarten klimatisch bedingt ― oder menschenverursacht?

Radiokohlenstoffdatierung in der Karibik

Bisher fehlten genauere radiometrische Daten, die eine mögliche Abfolge der Extinktionsereignisse auf Hispaniola näher bestimmen könnten; gerade um menschliche Einflüsse von Anpassungsschwierigkeiten der Nager am Ende der Eiszeit präziser zu unterscheiden. Eine besondere Schwierigkeit stellt bei dieser Frage bereits die komplexe Datengewinnung dar, namentlich die Radiokohlenstoffdatierung von Fossilien- und Knochenfunden in den Tropen. Denn Luftfeuchtigkeit, Nässe und Hitze beschleunigen den Abbau von Kollagen in der Region enorm, einem für die Datierung jedoch unerlässlichen Strukturprotein. Gut erhaltene Knochen oder Einschlüsse werden dennoch immer wieder freigelegt, etwa in Höhlen oder Dolinen. In diese Hohlräume verfingen sich die Nager einst oder wurden von ihren Fressfeinden dorthin verbracht; ein Glücksfall hingegen für die Paläontologie, blieben sie damit doch von Witterungseinflüssen und Aasfressern oftmals gut geschützt.

Studie: erweiterte Datenbasis für Hispaniolas historische Nagerpopulation

Einem amerikanisch-dominikanischen Forscherteam ist es nun gelungen, die radiometrische Datenbasis für die historische Nagerpopulation Hispaniolas deutlich zu erweitern. ― Erstautor ihrer in den „Quaternary Science Reviews“ publizierten Studie ist Lazaro Willian Viñola-López, Gainesville. Die Wissenschaftler konnten für ihre biogeografisch-extinktionschronologischen Untersuchungen auf umfängliche Sammlungen in den Depots des Florida Museum of Natural History in Gainesville und des Museo Nacional de Historia Natural in Santo Domingo zurückgreifen. Insbesondere gelang es ihnen, Kohlenstoffdaten für sechs hispaniolische Nagetierarten zu gewinnen, deren letzte Okkurenz bisher am Ende des Pleistozäns verortet wurde. Tatsächlich überlebten die Tiere diese Zeit rapider Klimaveränderungen jedoch. Die klimatischen Veränderungen hatten weit mehr biogeografische Auswirkungen, spielten bei der Extinktion mutmaßlich jedoch keine Rolle. Damit rückten dezidiert menschliche Einflüsse auf die nachfolgenden Extinktionsereignisse für die Forschergruppe unmittelbar ins Zentrum.

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Menschlicher Einfluss: Extinktionsereignisse bei Nagern

Die ersten Menschen gelangten erst vor etwa 4.000 bis 6.000 Jahren nach Hispaniola, also lange nach dem Ende der Eiszeit auf dem amerikanischen Doppelkontinent. Eine zweite Welle von Siedlern erreichte vor rund 3.000 Jahren die Karibik. Diese Gruppe machte zwar Jagd auf die Hutias, bezog ihre Beute alsbald auch in komplexe Tauschhandelssysteme ein, verursachte jedoch nicht das Aussterben der Nagetiere, so die Wissenschaftler. Weit mehr dürften spanisch-koloniale Einflüsse den Rückgang und schließlich die Extinktion einiger Rodentia-Arten verursacht haben. Radiokarbondaten der Forschergruppe zeigen, dass insgesamt sieben Arten innerhalb der letzten 2.000 Jahre auf Hispaniola ausstarben. Mindestens drei Extinktionsereignisse fielen dabei offenbar mit den Kolonisationsaktivitäten spanischer Siedler zusammen.

Kolonialwirtschaftliche Expansion auf Hispaniola

Deren allmähliches Vordringen ab dem 16. Jahrhundert von den Küstensäumen Hispaniolas in das Inselinnere zerstörte alsbald den Lebensraum vieler Nager und mit ihnen trophisch verbundener Säugetier- und Vogelarten; etwa auch der Hispaniolischen Schleiereule (Tyto ostologa), einem Rodentiajäger, dessen Aussterben mit dem Verschwinden der Baumratten zusammenhängen könnte. Den Tieren setzte dabei nicht nur die großräumige Anlage von Siedlungen, Plantagen sowie Hacienda- und Bergbaukomplexen zu, sondern mutmaßlich auch das Eindringen invasiver Arten aus den Schiffsbäuchen der regelmäßig eintreffenden Versorgungsflotten ― Hunden, Katzen und Ratten. Weitere biometrische Daten könnten die Chronologie der Extinktionsereignisse auf Hispaniola und der menschliche Einfluss hierauf, noch einmal präzisieren, so die Erwartung der Autoren.

Bioinvasoren auf Guadeloupe ab dem 17. Jahrhundert

Die neuen Erkenntnisse des amerikanisch-dominikanischem Forscherteams passen zu weiteren rezenten Studien über menschenverursachte Extinktionsereignisse bei Wirbeltieren in der Karibik. Eine 2021 veröffentlichte Studie erwies etwa, dass die Etablierung extensiver Monokulturen auf Guadeloupe ab dem 17. Jahrhundert ebenfalls das Eindringen von Bioinvasoren wie Ratten und Katzen beförderte. In der Folge starben 50-70 % der Squamatenarten Guadeloupes aus.

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