Start Archäologie Statia: Rückgabe sterblicher Überreste von neun Indigenen

Statia: Rückgabe sterblicher Überreste von neun Indigenen

Flagge der Niederlande und der Besondere Gemeinde Sint Eustatius, Niederländische Antillen
Symbolbild: Flaggen der Niederlande und Sint Eustatius'. Bildnachweis: (c) Can Stock Photo / Nikol85

In den 1980er-Jahren entdeckt ein Team um den Leidener Archäologen Aad H. Versteeg die Überreste einer prä-kontaktzeitlichen Siedlung auf Sint Eustatius, genannt „Golden Rock“ (GR-I). Der Siedlungskomplex nahe dem Inselflughafen F. D. Roosevelt wird auf die Zeit zwischen 700 und 900 u. Z. datiert. Bei den Grabungen werden neben Keramiken der Saladoidkultur auch menschliche Knochen freigelegt. Zur weiteren Untersuchung schickt man die Funde anschließend in die Niederlande. Die Grabungskampagne wird in den Jahren zwischen 1984 und 1989 von archäologischen Forschungseinrichtungen in Leiden und auf Curaçao durchgeführt, als Teil karibikweiter Grabungsprojekte. Die Statia betreffenden Forschungsergebnisse geben Versteeg und Kees D. Schinkel 1992 schließlich in der Studie „The Archaeology of Sint Eustatius. The Golden Rock“ heraus.

Rückgabe sterblicher Überreste von neun Indigenen nach Statia

Nun, mehr als 30 Jahre später, kehren die menschlichen Überreste der „Golden-Rock“-Siedlung nach Sint Eustatius zurück. Dies gab die Regierung der niederländischen Überseegemeinde Anfang März bekannt. Der Restitution sterblicher Überreste von insgesamt neun Indigenen waren längere Verhandlungen zwischen Regierungsstellen auf Eustatia und in den Niederlanden vorausgegangen. An den Unterhandlungen war zudem das „St. Eustatius Center for Archaeological Research“ beteiligt, einer vor allem denkmalpflegerisch tätigen Nicht-Regierungsorganisation auf Statia.

Kulturethischer Bürgerdialog

Ein besonderes Komitee soll auf Sint Eustatius nun im Dialog mit der Inselbevölkerung den weiteren Verbleib der Skelette klären; etwa mögliche Formen der Bestattung der Gebeine sowie mögliche Begräbnisplätze für die „Saladoiden“ auf Sint Eustatius. ― Mit derlei kulturethischen und denkmalpflegerischen Fragen betraute Kommissionen und Dialoggruppen haben auf Sint Eustatius inzwischen merklich an Bedeutung gewonnen.

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2021: Kontroversen um „Sklavenfriedhof“ auf Sint Eustatius

Ursächlich hierfür insbesondere das Jahr 2021: Seinerzeit werden ― hinwiederum im Bereich des F. D. Roosevelt Airports – die sterblichen Überreste Versklavter einer statianischen Zuckerplantage aus dem 18. Jahrhundert entdeckt. „Golden Rock Plantation“ lautet der historische Name der versunkenen Zuckerpflanzung. Die Auffindung dieses „Sklavenfriedhofs“, insbesondere aber das teils als rücksichtslos wahrgenommene Vorgehen eines ausschließlich aus Weißen bestehenden Archäologenteams führt im Juli 2021 vorübergehend gar zum Abbruch der Grabungen; nachfolgend zu einer kontroversen und grundsätzlichen Diskussion um das kolonial- und sklavereigeschichtliche Erbe Sint Eustatius‘; und schließlich zur Einrichtung kulturethisch-sensibilierter Beratungs- und Entscheidungsgremien ― in enger Fühlung mit der statianischen Bevölkerung, die wesentlich aus Nachfahren afrikanischer Versklavter besteht.

Weitere Restitutionen geplant

Der kritische Umgang mit diesen dezidiert geschichts- und wissenschaftsethischen Fragen geht auf Sint Eustatius offenbar nun weiter: So plant das hierfür zuständige Kulturdepartement der Antilleninsel bereits in diesem Jahr weitere Restitutionen archäologischer Fundstücke aus Sint Eustatius. Im Zuge eines weiteren Rückgabeprozesses sollen langfristig etwa auch statianische Artefakte aus dem Sammlungen des „College of William & Mary“ in Virginia repatriiert werden.

Sint Eustatius und die Niederlande

Innerhalb des Königreichs der Niederlande bildet Sint Eustatius seit 2010 als sogenannte „Besondere Gemeinde“ ein eigenes Rechtsterritorium. Neben Sint Eustatius haben zwei weitere niederländische Kommunen in der Karibik diese spezielle Rechtsstellung: Saba und Aruba. Seit fast 400 Jahren steht die Insel nun schon fast ununterbrochen unter niederländischem „Gezag“. Eine Tabakpflanzerkolonie unter der Ägide der berüchtigten niederländischen Westindien-Compagnie wurde auf Sint Eustatius bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts begründet. Zu diesem Zeitpunkt bestanden auf „Stacio“ längst keine indigenen Siedlungen mehr. Im 18. Jahrhundert stieg die niederländische Besitzung zu einem der wichtigsten Handelsdrehkreuze der Karibik auf. Partiell wurden auf dem nur 21 km² großen Antilleneiland auch Kostgärten und Plantagen betrieben ― weit überwiegend mithilfe Versklavter. Die größte dieser Pflanzungen war die vorerwähnte „Golden Rock Plantation“ im Zentrum der Insel.

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