Ketikoti, der „Tag der gesprengten Ketten“, findet alljährlich am 1. Juli statt. Erinnert wird an diesem Tage an die formelle Abschaffung der Sklaverei in Niederländisch-Westindien zum 1. Juli 1863 ― und ihre endgültige Aufhebung in Suriname zum 1. Juli 1873 mit dem Ende der sogenannten „Staatstoezicht“. Ein System staatlicher Aufsicht über die formell manumittierten Afro-Surinamer zwang diese noch für weitere 10 Jahre, bis 1873 also, unter ein rigides Arbeits- und Kontrollregiment. Es verpflichtete sie zu festen Verträgen mit surinamischen Arbeitgebern; zumeist auf den Plantagen und in den Werkstätten ihres einstigen, selbst ernannten „Eigners“.
„Staatstoezicht“ und indische Kontraktarbeiter
Mittels dieser Vorgabe sollte insbesondere der Verbleib von Arbeitskräften auf den einstigen Sklavenplantagen von Niederländisch-Guyana sichergestellt werden ― bis die ehemals Versklavten Surinames durch Kontraktarbeiter aus Java und Britisch-Indien ersetzt werden könnten; was ab 1873 partiell auch gelang. ― 2023 gedenkt man somit auch der Ankunft der ersten indischen Kontraktarbeiter in Suriname vor 150 Jahren, der sogenannten „Hindustanen“, die nachfolgend in „Nederlandsch Guyana“ ebenfalls einem ausbeuterischen und rassistischen Arbeitsregime unterworfen wurden.
Ketikoti: Fest- und Trauertag
Ketikoti ist gleichermaßen Fest- und Trauertag in Suriname, in den Niederlanden, seinen karibischen Gebietsteilen und Königreichslanden; ein öffentlich begangenes Memorial im Gedenken an die Verbrechen der Sklaverei in den niederländischen Westindien-Kolonien und ihr Fortwirken in den Rassismen des Atlantiks und des europäischen Kolonialismus; ― doch Ketikoti ist ebenso ein Tag der Freude und ein Tag der Erinnerung an den Widerstandsgeist der Versklavten bis zu ihrer formellen Emanzipation durch die Metropole.
Ketikoti-Gedenken in Suriname
In Suriname, der größten der ehemaligen niederländischen Besitzungen in Westindien, wird der Gedenktag des Ketikoti traditionell mit einem morgendlichen Gedenkgottesdienst in der Großen Stadtkirche von Paramaribo eröffnet. Es ist dies die Hauptkirche der größten protestantischen Gemeinschaft in dem südamerikanischen Land, der „Evangelischen Brüdergemeinde“. Die auch als „Herrnhuter“ bekannte Denomination ist seit jeher durch afrikastämmige Surinamer geprägt. Ehemals Versklavte zelebrierten in dieser Kirche erstmalig auch am 1. Juli 1863 das formelle Ende der Sklaverei in Niederlands Westindien-Kolonien.
Gesprengte Ketten
Dem Gottesdienst in der „Groten Stadskerk“ folgt seit vielen Jahrzehnten sodann eine Gedenkfeier am Denkmal des „Kwaku“ (Kwakoe); Standbild eines befreiten afrikanischen Sklaven mit gesprengten Ketten. Die Statue wurde anlässlich des Emanzipations-Zentenariums von 1963 in Paramaribos Innenstadt enthüllt. Das Denkmal verweist auch in seinem Namen auf den Freiheitstag des Ketikoti von 1863: Dieser fiel seinerzeit auf einen Mittwoch. ― In der Ritualsprache der Marronen, Angehörigen afrikanischer Flucht- und Widerstandsgruppen des surinamischen Buschlandes, bezeichnet „Kwaku“ eine Person, die auf einem Mittwoch geboren wurde. Höhepunkt der Feierlichkeiten in Paramaribo bildet schließlich ein als „Prodowaka“ bezeichneter Festumzug. Er führt altüblich in traditionellen Gewändern durch die Innenstadt der surinamischen Kapitale.
König Willem-Alexander bittet um Vergebung für Sklavereiverbrechen
In den Niederlanden indes finden die zentralen Gedenkfeierlichkeiten seit vielen Jahren am Nationalen Sklavereidenkmal im Amsterdamer Oosterpark statt. In diesem Jahr hielt der niederländische König Willem-Alexander dort eine Rede, in welcher er „Excuus“ erbot und um „Vergebung“ („vergiffenis“) für die Verbrechen der Sklaverei bat. Er schloss sich damit auch den bereits im Dezember 2022 erfolgten Excuusanerbieten der niederländischen Regierung unter Ministerpräsident Mark Rutte an. Auch Rutte weilte unter den geladenen Gästen des Staatsaktes. Das öffentliche Schuldbekenntnis des Monarchen wurde von der versammelten Menge mit Jubel und Applaus aufgenommen.
Forschungskommission zur Rolle Oraniens in der Kolonialgeschichte
In seiner Rede zum Ketikoti bekräftigte Willem-Alexander zudem seinen Entschluss, die besonderen Verstrickungen des Hauses Oranien-Nassau in Kolonialismus und Sklavismus, im kolonialen Versklavungshandel der Niederlande, aufarbeiten zu lassen. Der König hatte hierzu im Dezember vergangenen Jahres die Einberufung einer unabhängigen Forschungskommission angekündigt. Das umfangreiche Forschungsprojekt ist an der Universität Leiden angesiedelt und steht unter der Leitung des emeritierten holländischen Historikers Gert Oostindie, einer Koryphäe der niederländischen Kolonialgeschichte. Die Untersuchungen der Commissie sollen bis 2026 abgeschlossen sein.
Zwischen Atlantik und Indik: niederländische Versklavungssysteme
Niederländisch-atlantische Sklavenhändler könnten nach derzeitigem Stand der Forschung insgesamt rund 600.000 Afrikaner und Afrikanerinnen verschleppt und versklavt haben. Eine wichtige Rolle spielte dabei bis in die 1730er-Jahre auch die niederländische Westindien-Compagnie. Für den indisch-asiatischen Versklavungshandel liegen die Opferzahlen sogar noch höher; hier geht die Wissenschaft von bis zu 1,1 Millionen Versklavten aus, die in Gebiete unter der Hoheit der niederländischen Ostindien-Compagnie deportiert wurden.