Start Archäologie Afrikanische Rinderexporte nach Neuspanien?

Afrikanische Rinderexporte nach Neuspanien?

DNS-Sequenzen in Rindermolar Hinweis auf Rinderexporte aus Westafrika nach Spanisch-Amerika 17. Jahrhundert
Schädel eines Hausrindes. Credit: Florida Museum of Natural History; photo by Jeff Gage

Die Präsenz iberischer Händler an den Küsten Westafrikas nimmt im 15. Jahrhundert ihren Ausgang. In den 1480er-Jahren sind portugiesische Schiffe bereits bis an die Gestade des heutigen Angola vorgedrungen. 1482 wird unter dem Banner Portugals das Kastell São Jorge de Mina im heutigen Ghana errichtet. Der erste befestige Stützpunkt der Iberer am Golf von Guinea. Zwischen 1482 und 1485 geht hier auch der Genuese Christoph Columbus (1451-1506) vor Anker; als einfacher Guinea-Negoziant wiewohl noch, wenige Jahre vor seiner epochemachenden Westfahrt als „Admiral von Indien“.

Nutzvieh in den merkantilen Austauschbeziehungen des Atlantiks

Neben Versklavten, Gold und Elfenbein werden an den Küsten Westafrikas frühzeitig auch Biota gehandelt; etwa Pfeffer oder Arzneipflanzen. Doch spielten auch afrikanische Nutztiere in diesen merkantilen Austauschbeziehungen eine Rolle, gelangten gar frühzeitig über den Atlantik nach Amerika? Eine neue archäologische Studie scheint in Betreff dieser Frage nun konkretere Hinweise liefern zu können.

Kolonialspanische Rinder: Sequenzierung alter DNS

Bei der Sequenzierung alter DNS von Kühen und Stieren aus der spanischen Kolonialzeit fanden Forschende der Universität von Florida mögliche Hinweise auf Rindereinfuhren aus dem westlichen Afrika. So entdeckte die Arbeitsgruppe unter der Leitung von Nicolas Delsol in den Mitochondrien eines bovinen Zahns aus Neuspanien eine ungewöhnliche DNS-Sequenz, die einer spezifisch afrikanischen Subhaplogruppe von Bovidae zugeordnet werden konnte. Die Kuh, von welcher die Sequenz stammte, lebte mutmaßlich zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Bellas Artes, Mexiko-Stadt. Sie könnte demnach die Hypothese afrikanischer Direktimporte von Rindern nach Amerika unterstützen, so die Wissenschaftler.

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Hypothesen zum atlantischen Handelskapitalismus

Jene Hinweise auf afrikanische Rinder-Cargaisonen im frühen Transatlantikverkehr der Iberer könnten auf eine noch näher zu bestimmende Weise mit dem spanisch-portugiesischen Versklavungshandel seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verknüpft sein. So betont die Studie in diesem Zusammenhang etwa auch die zentrale Rolle versklavter Afrikaner und Afrikanischstämmiger in der kolonialzeitlichen Viehwirtschaft: Viele der nach Spanisch-Amerika Verschleppten entstammten westafrikanischen Hirtenvölkern, galten als versierte Viehzüchter und dominierten mit ihrer Expertise alsbald auch die extensive Weidewirtschaft der Spanier, insbesondere in Mexiko.

Bovides Knochenmaterial aus kolonialspanischen Siedlungen

In ihrer Studie nutzte das Team um Delsol bovides Knochenmaterial aus verschiedenen archäologischen Fundstätten des kolonialzeitlichen Amerikas; neben Siedlungsfunden aus Zentralmexiko und Yucatán auch sieben Proben aus dem hispaniolischen Puerto Real an der Nordküste des heutigen Haiti gelegen. ― In den Überresten dieser kolonialspanischen Bergbau- und Agrarsiedlung fand Delsol bereits vor einigen Jahren einen equinen Mahlzahn. Der ursprünglich falsch zugeordnete Molar hatte die hispaniolische Kolonie überraschenderweise in direkte Verbindung mit spanischen Erkundungsfahrten in Nordamerika bringen können.

1,3 Mio Rinder in den Weiten Neuspaniens

Die ersten Hausrinder gelangten 1493 mit Columbus‘ zweiter Westindien-Expedition in die Neue Welt. Die Tiere stammten offenkundig aus alten spanischen, teils andalusisch-nordafrikanischen Züchtungen. Vor Ankunft der Iberer existierten auf dem amerikanischen Kontinent keinerlei bovide Nutztierarten. Die spanischen Rinder gediehen insbesondere auf Hispaniola und in Mexiko relativ gut. Dort entwickelten sie sich zu großen, weitgehend sich selbst überlassenen Herden. Allein für Neuspanien geht man bereits um 1620 von einem Viehbestand von 1,3 Mio. Tieren aus. Deren Haltung und Verwertung betrieben, wie erwähnt, insbesondere Versklavte; vielfach als berittene Vaqueros, Kuhtreiber.

Senegalesische Hausrinder nach St. Croix, Dänisch-Westindien

Eines der bekannteren, gut dokumentierten Beispiele westafrikanischer Rinderdirektexporte in den karibischen Raum stammt aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es handelt sich um eine Herde der Plantageneigner-Familie Elliot auf St. Croix, Dänisch-Westindien. Ursprünglich bestand diese Herde aus senegalesischen N’Dama-Rindern. Die um Christiansted tätigen Agrarunternehmer und ehemaligen Versklaver führten 1860 60 Färsen und zwei Stiere der westafrikanischen Rinderart nach Dänisch-Westindien ein. Aus dieser entwickelte sich verlaufs des 20. Jahrhunderts die robuste cruzianische Rasse der „Senepol-Rinder“.

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