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Die Geschichte der Antilleninsel St. Kitts

Die Antilleninsel St. Kitts (St. Christopher) wird 1623 als eine der ersten nordwesteuropäischen Plantagenkolonien in der östlichen Karibik etabliert. Wichtige Marktgüter der Siedler sind zunächst Tabak und Baumwolle. St. Kitts’ autochthone Kariben-Gemeinschaft fällt bereits 1626 einem brutalen Massaker englisch-französischer Kolonisten zum Opfer. Die 169 km² große Antilleninsel selbst verbleibt jahrzehntelang ein hart umkämpftes Kondominium englischer und französischer Handels- und Kolonisationsgesellschaften. Ältere spanische Ansprüche auf die Insel werden nach 1629 nicht mehr gewaltsam durchgesetzt.

In den karibischen Hegemonial- und Kaperkriegen während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts können sich auf St. Kitts schließlich die Engländer als alleinige Herren etablieren. Hauptort wird nach 1713 Basseterre, das im ehemals französischen Gebietsteil von St. Kitts liegt.

St. Kitts als Teil der British Leeward Islands

Vor allem während des 17. Jahrhunderts dient St. Kitts als wichtiges Sprungbrett für englische Militär- und Kolonisationsunternehmungen im Antillenraum sowie als Rendezvouspunkt für Schmuggler. Als Teil eines in dieser Zeit entstehenden Territorialnukleus der Engländer im Nordosten der Kleinen Antillen wird St. Kitts ab 1671 gemeinsam mit weiteren englisch-irischen Pflanzerkolonien verwaltet, darunter das unmittelbar benachbarte Nevis sowie Anguilla.

Die damit einhergehenden politischen, wirtschaftlichen und familiären Verbindungen integrieren St. Kitts während des 17. und 18. Jahrhundert in das spezifische Gefüge der English Caribee beziehungsweise der British Leeward Islands.

Eine englische Zucker- und Sklaveninsel

Ökonomisch entwickelt sich St. Kitts dank fruchtbarer Vulkanböden ab den 1640er Jahren zu einem der wichtigsten Zuckerproduzenten der Kleinen Antillen. Mit der expandierenden Zuckerökonomie wächst auch der Anteil afrikanischer Sklaven auf St. Kitts deutlich an. Die westindische Chattelsklaverei ersetzt dabei nach und nach das ältere System der europäischen Vertragsknechte, der sogenannten „Indentured Servants“ beziehungsweise „Engagés“.

Auf dem Höhepunkt des westindischen Zuckerzyklus während der amerikanisch-europäischen Revolutionskriege um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert leben rund 35.000 Menschen auf St. Kitts, der größte Teil von ihnen afrikanischstämmige Sklaven, die unter einem strengen Arbeitsregiment leben müssen.

Niedergang der Zuckerwirtschaft im 19. Jahrhundert

Der zentralen wirtschaftlichen Bedeutung der Insel trägt die englische Krone bereits ab den 1690er Jahren mit der sukzessiven Befestigung des Brimstone Hill Rechnung; das „Gibraltar Westindiens“ ist heute eines der wichtigsten militärgeschichtlichen Monumente der Ostkaribik. Die Bastionen von Brimstone Hill werden letztmalig 1806 während der Napoleonischen Kriege bestürmt.

Das Schicksal der Antilleninsel wird in dieser Epoche jedoch im fernen Europa entschieden: Die ebenfalls 1806 errichtete Kontinentalsperre leitet den Siegeszug der europäischen Zuckerrübenproduktion ein. Mit dieser Zuckerpflanze ist der traditionelle karibische Zuckerrohranbau alsbald nicht mehr konkurrenzfähig. Der Niedergang des englischen und westeuropäischen Kolonialzuckers beginnt.

Auch St. Kitts wird von diesen Entwicklungen massiv betroffen; zumal die Böden der Antilleninsel nach Jahrhunderten des monokulturellen Raubbaus völlig ausgelaugt sind; überdies wird das empfindliche Agrarsystem St. Kitts’ regelmäßig durch Hurrikane, Flutkatastrophen und Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen.

Ende der Sklaverei auf St. Kitts ab 1834

Die Krise der antillianischen Zuckerökonomie intensiviert bereits in der Revolutionszeit entwickelte Diskussionen um eine Abschaffung des britischen Sklavereisystems. Nach der bereits 1830 erfolgten rechtlichen Gleichstellung manumittierter, d. h. freigelassener Sklaven auf St. Kitts vollzieht das Empire am 1. August 1834 die Abolition der jahrhundertealten Chattelsklaverei.

Nach dem Ende einer als „Lehrzeit“ euphemisierten, mehrjährigen Arbeitspflicht strömen viele der ehemaligen Sklaven in die Küstensiedlungen oder wandern aus. Der damit einhergehende Mangel an Arbeitskräften verschärft die Wettbewerbsschwäche der kolonialbritischen Plantagen und führt ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur verstärkten Zuwanderung von Kontraktarbeitern. Auf St. Kitts lässt sich insbesondere eine größere Zahl von Vertragsarbeitern aus Madeira nieder.

Rassismus, Arbeitslosigkeit, Arbeitsmigration und eine rigide Gesetzgebung gegenüber der wachsenden Landarbeiterschicht verschärfen die sozialen Spannungen auf St. Kitts. 1896 kulminieren diese in Streiks und Ausschreitungen gegen zumeist portugiesischstämmige Händler.

Auswanderungswelle aus St. Kitts

Armut und Arbeitsmangel treiben vornehmlich die männliche afrikanischstämmige Bevölkerung in die Migration. Ziel der Auswanderer sind nordamerikanische Hafenstädte, dominikanische Zuckerplantagen oder die Ölfelder Arubas und Trinidads. Während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kommt es somit zu einem rapiden Bevölkerungsverlust auf St. Kitts. Die sozialen und politischen Auseinandersetzungen zwischen der Emanzipationsphase ab 1834 und den ersten allgemeinen Wahlen auf St. Kitts 1952 prägen die Identität der Inselbewohner nachhaltig.

Entkolonialisierung in der Karibik

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verstärken sich auch in Britisch-Westindien Prozesse der Entkolonialisierung und Entflechtung, in die auch St. Kitts unmittelbar einbezogen ist. Das britische Mutterland ist dabei bemüht, den traditionellen Insularismus der Region aufzubrechen, zugleich möglichst stabile Gebietseinheiten entstehen zu lassen und diese schließlich in eine globale Gesamtstruktur des Empires zu integrieren. Nach dem Scheitern einer anglokaribischen Gesamtföderation 1962 („West Indies Federation“), erlangt St. Kitts 1967, gemeinsam mit Nevis und Anguilla, besondere Souveränitätsrechte innerhalb des Commonwealth.

Die Assoziation Saint Christopher-Nevis-Anguilla bis 1983

Das postkoloniale und autonome Staatswesen Saint Christopher-Nevis-Anguilla gerät während einer vorübergehenden Rebellion zwischen 1967 und 1969 auf Anguilla rasch in eine Krise; 1983 zerfällt die Assoziation schließlich nach jahrelangen Streitigkeiten im Gefolge völlig disparater Souveränitäts- und Autonomievorstellungen auf den drei Inseln; während Anguilla schließlich als britisches Überseeterritorium verbleibt, erlangt die neue Föderation von St. Kitts und Nevis 1983 volle politische Souveränität von Großbritannien innerhalb des Commonwealth.

Das Ende des kittianischen Zuckers

Auch nach der formellen Unabhängigkeit der Föderation verharrt St. Kitts noch lange Jahre in einer wirtschaftlich angespannten Lage. Die bereits 1975 verstaatlichte Zuckerwirtschaft häuft dem Mikrostaat immer größere Schulden auf. Erst 2005 kommt der Zuckerrohranbau der Inselföderation mit der Schließung von St. Kitts’ einziger Zuckerfabrik faktisch zum Erliegen.

Tourismussektor auf St. Kitts

Der wirtschaftlichen Krise sucht St. Kitts seit Jahrzehnten bereits durch den Aufbau eines wettbewerbsfähigen Tourismussektors zu begegnen. 2006 wird zu diesem Zweck auch der Flughafen von Basseterre erweitert und modernisiert. Die Inselhauptstadt Basseterre hat sich inzwischen auch als eine bedeutende Kreuzfahrtdestination in der östlichen Karibik etablieren können. Ein Großteil der Besucher stammt dabei aus den USA, Kanada und Großbitannien.

Investment-Migration: St. Kitts ab 1984

Als wichtiger Kapitallieferant für die Diversifikation der kittianischen Wirtschaft gilt seit Langem der Finanzsektor. Im Fokus dabei ein millionenschwerer Passhandel („Staatsbürgerschaft per Investition“), der zwar bereits 1984 etabliert wird, jedoch erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu beträchtlichen Einnahmen führt.

Erlöse aus Investment-Migrationsprogrammen für wohlhabende Neubürger der Inselföderation fließen ab 2006 über einen nationalen „Zuckerfonds“ auch in groß angelegte Immobilien- und Touristikprojekte.

Die Aktivitäten dieses Diversifizierungsfonds und die Praxis des Staatsbürgerschaftsverkaufs führen in der Folge jedoch auch zu handfesten innenpolitischen Skandalen, teils auch zu diplomatischen Verwicklungen mit den USA und Kanada.