Start San Martín: Sint Maarten unter den Spaniern (1633-1648)

San Martín: Sint Maarten unter den Spaniern (1633-1648)

15 Jahre lang unterhält die atlantische Großmacht Spanien einen befestigten Stützpunkt auf der Antilleninsel Sint Maarten. 1633 von der niederländischen Westindien-Compagnie (WIC) blutig erobert, gilt der entlegene Außenposten im Nordbogen der Kleinen Antillen viele Jahre als einer der trostlosesten Garnisonen der Karibik. Permanenter Wasser- und Nahrungsmangel, desgleichen Seuchen und Langeweile, provozieren unter den Soldaten immer wieder Konflikte. Selbst vor einer offenen Revolte schrecken die spanischen Soldaten auf „San Martín“ nicht zurück. 1648, nach dem Frieden von Münster, geben die Spanier ihren kostspieligen Stützpunkt wieder auf.

1. Juli 1633: Mit der Kapitulation der niederländischen Garnison auf Sint Maarten scheint der westindische Expansionsdrang der Holländer vorerst gestoppt. Die Vereinigten Provinzen der Niederlande verlieren schlagartig eines ihrer wichtigsten Salzvorkommen in der Karibik. Spanien indes setzt sich mit der Eroberung Sint Maartens erstmals an der östlichen Peripherie seines Antillenreiches fest.

Aus der Sicht der Verantwortlichen in Spanien und der Neuen Welt ist dies auch auch dringend erforderlich: Seit den 1620er Jahren ist das Inselgebiet südöstlich von Puerto Rico spanischer Kontrolle zunehmend entglitten. Engländer und Franzosen haben begonnen, im Norden der Kleinen Antillen Stützpunkte und Plantagenkolonien anzulegen; niederländische Handelsschiffe, Schmuggler und Kaperer durcheilen überdies regelmäßig das Amerikanische Mittelmeer.

Spanischer Angriff auf St. Kitts und Nevis 1629

Bereits 1629 hat die iberische Doppelmonarchie mit einem massiven Angriff auf das englisch-französische Plantagenkondominium St. Kitts und die Nachbarinsel Nevis versucht, das Vordringen der nordwesteuropäischen Konkurrenz aufzuhalten. Vor allem die Eroberung der spanischen Silberflotte vor Kuba durch den Niederländer Piet Hein (1577-1629) ein Jahr zuvor hat die iberische Krone offenbar aufgeschreckt. Die nach den Kleinen Antillen entsandte Armada steht seinerzeit unter dem Kommando des erfahrenen Militärs Fadrique Álvarez de Toledo y Mendoza (1580-1634). Der gebürtige Nepolitaner de Toledo hatte 1625 bereits die Bahia de Todos os Santos (Allerheiligenbucht) in Brasilien, das administrative Zentrum der Portugiesen im Südatlantik, nach einer kurzen niederländischen Okkupationsphase zurückerobern können. Frühe niederländische Pläne zur vollständigen Besetzung Brasiliens waren hierdurch zunächst zerschlagen worden.

Toledos heftiger Angriff am 7. September 1629, auf den Tag genau ein Jahr nach Piet Heins Schurkenstück in der Bucht von Matanzas, zerstreut St. Kitts’ Tabak- und Baumwollpflanzer mit ihren Familien, Sklaven und Knechten in alle Winde. Einige der von St. Kitts vertriebenen Kolonisten französischer Herkunft gelangen so auch in den Norden von Sint Maarten.

Trotz der spanischen Machtdemonstration auf St. Kitts und Nevis bleiben die Kleinen Antillen weiterhin das Ziel spekulativer Siedlungsunternehmen. Zahlreiche Handelsgesellschaften und Kaufmannsoligarchien aus dem Norden und Westen Europas beteiligen sich hieran und fügen die Kleinen Antillen in ihre jeweiligen Generalstrategien ein.

Sint Maarten, die karibische Salzinsel

Dank seiner üppigen Salzvorkommen gerät auch Sint Maarten jetzt in das Visier risikofreudiger Handelscompagnien. 1631 folgen den Franzosen im Norden des Antilleneilandes Siedler und Soldaten aus den Niederlanden. Die Kolonisten stehen unter der Ägide der niederländischen Westindien-Compagnie (WIC) und lassen sich im Süden der nur 87 km² großen Insel nieder.

Die batavische Handelsgesellschaft hat bereits 1630 einem ihrer Anteilseigner ein formelles Siedlungspatent für Sint Maarten gewährt. Die 1631 in der Great Bay von Sint Maarten anlandenden Niederländer haben zunächst jedoch wenig Interesse an der Errichtung einer Plantagenkolonie auf Sint Maarten. Ihr besonderes Augenmerk gilt vornehmlich der Meerwassersaline nördlich der Great Bay. Die Salzpfanne an der Großen Bucht ist für Hollands Hafenstädte und seine mächtige Heringsflotte höchst verlockend. Bis zu 500 Schiffsladungen hochwertiges Meersalz, einem wichtigen Konservierungsmittel der Zeit, können hier alljährlich abgeerntet werden. Die Great Bay ist damit neben Punta de Araya die ertragsreichste Salina der Niederländer in der Karibik.

Bereits kurz nach ihrem Eintreffen auf Sint Maarten sind die Niederländer somit intensiv bemüht, ihre reiche Saline mit dem Bau eines massiven Kastells abzusichern. Etwa zeitgleich übernehmen die Niederländer auch die Kontrolle über Sint Maartens nördlichen Nachbarn Anguilla. Auch hier sind es Meersalzsalinen, welche die Niederländer locken; und auch hier errichten Spaniens frühneuzeitliche Erzfeinde ein kleines Fort.

Die holländische Gefahr

Dass sich im Bereich der Kleinen Antillen nun auch die verhassten Holländer niedergelassen haben, beunruhigt die Spanier in besonderer Weise; zumal die abtrünnige Kaufmannsrepublik auf Sint Maarten nun auch einen großen Schutzhafen kontrolliert: die Great Bay, von den Niederländer als Grote Baai bezeichnet. Die Bucht bietet potenziell einer ganzen Flotte niederländischer Kaperschiffe Platz und liegt zudem in unmittelbarer Nähe der strategisch wichtigen Anegada-Passage.

Mit Hollands Freibeutergeschwadern haben die Spanier vor allem nach dem Ende eines über zwölf Jahre währenden Waffenstillstands im Atlantik größte Schwierigkeiten. 1628 konnte eine niederländische Kaperflotte sogar einen reich beladenen Schiffskonvoi der Spanier vor Kuba erobern. Die Spanier ahnen sogleich, welche Gefahren ihren Besitzungen zwischen Puerto Rico und Kuba, vor allem aber ihren Silberflotten, von Sint Maarten aus nunmehr drohen könnten. Und sie handeln: Dem konzertierten Angriff einer rund 1.300 Mann zählenden Landungstruppe der Spanier haben die Niederländer im Juni und Juli 1633 wenig entgegenzusetzen.

Den „Spaniarden“ gelingt die vollständige Eroberung des holländischen Stützpunktes auf Sint Maarten in gerade einmal einer Woche; und auch das niederländische Fort auf Anguilla fällt den Iberern in die Hände. Es wird von den Spaniern kurzerhand abgetragen und für die Reparatur der niederländischen Festung auf Sint Maarten verwendet. ─ Für die Spanier ist die Angriffsoperation gegen Sint Maarten im Sommer 1633 ein voller Erfolg: Mit einem Schlag haben spanische Musketiere den Niederländern zwei wichtige Meerwassersalinen in der Karibik entreißen können.

Die Niederländer auf Curaçao, Aruba und Bonaire

Das Expansionsstreben der Niederländer lässt sich hierdurch aber nur kurzzeitig aufhalten. Zwar verliert die Westindien-Compagnie zunächst jede weitere Aussicht auf lukrative Retourfrachten in den Seeverkehren zwischen Sint Maarten, Nieuw-Nederland, Guyana und Europa; doch bereits ein Jahr nach der Eroberung Sint Maartens durch die Spanier kann sich die niederländische Handelsgesellschaft auf Curaçao festsetzen.

1636 folgen Niederlassungen der Holländer auf dem benachbarten Antilleneilanden Aruba und Bonaire. Die Inseln scheinen nicht nur vergleicherweise ertragreiche und hochwertige Salzvorkommen zu bieten; sie verfügen mit Curaçao auch neuerlich über einen schwer einzunehmenden Hafen. Zum Verdruss der Spanier besitzen die Niederländer nun also erneut einen exzellenten Kaperstützpunkt im Herzen des spanischen Imperiums. Ein beinahe idealer Ersatz für die Salzinsel Sint Maarten. Doch die Salzernten in den Salinas von Curaçao, Aruba und Bonaire werden ihre Erwartungen alsbald enttäuschen.

Die Spanier und San Martín

Die Vizekönigreiche und Kapitanien der Iberer indes bleiben weiterhin unter Druck. Und auch der jüngst eroberte Stützpunkt auf Sint Maarten entwickelt sich ganz und gar nicht im Sinne der Verantwortlichen in Madrid, Cádiz, Sevilla und Lissabon. Weit mehr entpuppt sich der entlegene, von den Spaniern traditionell als „San Martín“ bezeichnete Außenposten langfristig als militärstrategischer Reinfall: Die Antilleninsel ist nicht nur teuer und schwer zu kontrollieren, sie vermag auch keinesfalls, die immer wieder neu aufsprießenden Koloniegründungen feindlicher Mächte in der Region zu verhindern.

Trotz der spanischen Präsenz auf Sint Maarten ab 1633 werden praktisch alle größeren Nachbarinseln Sint Maartens in den Kleinen Antillen nach und nach durch Engländer, Franzosen und Niederländer in Besitz genommen. St. Kitts prosperiert ungeachtet der Zerstörungen während der Invasion von 1629 alsbald wieder; und auch die niederländische Präsenz auf Sint Eustatius (1636) und Saba (um 1640) kann bereits wenige Jahre nach der spanischen Eroberung Sint Maartens ihren Anfang nehmen.

Hunger hinter Festungsmauern

Das größte Problem der abgeschiedenen spanischen Garnison an der Peripherie des spanischen Herrschaftsbereiches ist die Nahrungsversorgung. Anfänglich verfügen die spanischen Soldaten in ihrem Fort noch über ausreichend Lebensmittelvorräte. Doch bald erreichen immer seltener Versorgungsschiffe aus Spanien, Puerto Rico oder Hispaniola die kleine spanische Antilleninsel. Gerade die Kolonialbehörden auf den Großen Antillen halten offenbar wenig von einer weiteren Ausdehnung ihres karibischen Territoriums.

Ohnedies haben sie genug eigene Sorgen im Kaper- und Schmuggelkrieg mit niederländischen, englischen und französischen Schiffen. Für die spanische Garnison auf Sint Maarten hat das fortgesetzte Versorgungsproblem jedoch weitreichende Konsequenzen: Regelmäßig leidet die nominell bis zu 350 Mann zählende Festung der Spanier Hunger. In diesen Hungerphasen werden die ohnedies recht einseitigen, aus Maniok („Cassava“) und Schiffszwieback bestehenden Essensrationen drastisch reduziert.

Zwar versuchen sich einzelne Soldaten notgedrungen auch im tropischen Landbau rund um das Fort, gehen fischen, sammeln Baumfrüchte und halten versuchsweise auch Kühe und Ziegen. Doch die Bodenverhältnisse, die Unbilden der Hurrikansaison und die unregelmäßigen Lebensmitteltransporte nach Sint Maarten verhindern jegliche stabile Nahrungsversorgung. Aus Verzweiflung machen die ausgehungerten spanischen Einheiten zuweilen Jagd auf Ratten oder Echsen.

Handel zwischen Sint Maarten und St. Kitts

Eine weitere Schwierigkeit der spanischen Garnison: der völlige Mangel an Frischwasserquellen auf Sint Maarten. Da Wasserlieferungen aus Puerto Rico nur unregelmäßig erfolgen, bleiben die spanischen Soldaten in ihrer Festung meist auf Regenwasser angewiesen, das in kleinen Zisternen und Tanks gesammelt wird. In Trockenperioden sind es aber nicht selten verseuchte Brackwasserstellen, aus welchen die Soldaten trinken müssen. Die Folge: Viele Mitglieder der Garnison erkranken und versterben elendig.

Dem beständigen Mangel an Lebensmitteln und frischem, unverseuchten Wasser suchen die verantwortlichen spanischen Offiziere immer wieder auch durch Fahrten nach St. Kitts zubegegnen. Angesichts der permanenten Kriegshändel zwischen den atlantischen Mächten der Zeit eine überaus delikate Angelegenheit; dennoch ist der Tauschhandel mit formell als feindlich geltenden Kolonisten eine allseitig bewährte Strategie im Überlebenskampf vieler europäischer Kolonien und Garnisonen in der Karibik. Auch das spanisch kontrollierte Sint Maarten bildet hier nun keine Ausnahme.

Besonders heikel ist hierbei die Tatsache, dass es vor allem niederländische Kauffahrer und Schleichhändler sind, die in dieser klandestinen, interkolonialen Überlebensökonomie eine Schlüsselrolle einnehmen. Erst durch die merkantilistisch-regulierten Kolonialsysteme der Engländer und Franzosen ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts werden die Niederländer diese Funktion nach und nach verlieren. Während der 1630er und 1640er Jahre ist es jedoch keinesfalls auszuschließen, dass niederländische Schmuggler auch das spanisch besetzte Sint Maarten anlaufen und mit der dortigen Garnison Handel treiben.

Sint Maarten: ein abgelegener Außenposten

Die katastrophale Versorgungslage der spanischen Garnison verursacht naturgemäß immer wieder größte Spannungen unter den Soldaten. Zumal auch spanische Soldzahlungen nur selten die Antilleninsel erreichen. Der abgelegene Außenposten muss den Zeitgenossen geradewegs als tropisches Gefängnis erscheinen, aus welchen nicht selten nur der Tod zu befreien scheint.

Krankheit und Tod sind ohnedies ein ständiger Begleiter im monotonen Garnisonsalltag Sint Maartens. Im gleichen Maße allgegenwärtig ist die Unbarmherzigkeit der karibischen Naturgewalten: Hitze- und Trockenperioden, ingleichen gefährliche Wirbelstürme zermürben regelmäßig die spanischen Soldaten. Aufwendige Reparaturarbeiten wegen Fäulnis, Sturm- und Wasserschäden prägen in der Folge immer wieder den Garnisonsalltag des karibischen Kastells. Wer nicht kränkelt oder verletzt ist und wer über entsprechende Privilegien verfügt, vermag Abwechselung durch Jagdstreifzüge in der umliegenden Wald- und Hügellandschaft der spanischen Festung zu finden.

Typisch für das koloniale Militärwesen der Epoche bleiben Siechtum, Langeweile und Verzweiflung der tägliche Begleiter vieler Soldaten. Nur durch rigorose Disziplinierung seitens der ohnedies besser versorgten Offiziere lässt sich das hoch gespannte soziale System des Kastells leidlich zusammenhalten.

Günstlingswirtschaft und militärische Hierarchie

Ungeachtet der strengen militärischen Hierarchie innerhalb der Garnison entsteht zugleich eine informelle, zuweilen auch rangübergreifende Günstlingswirtschaft: Einzelne Soldaten genießen Vorzüge; werden etwa auf Versorgungsfahrten nach St. Kitts gesandt, zu Fisch- und Streifzügen eingeteilt; oder dürfen gar an Essen mit Kapitänen und Offizieren aus dem Mutterland oder von den Spanischen Antillen teilnehmen.

Andere hingegen, zumeist niederrangige Soldaten müssen monotone und beschwerliche Arbeiten am Fort verrichten. Angesichts der extremen klimatischen Verhältnisse nicht nur eine Sisyphusarbeit, sondern in Verbindung mit der periodischen Mangelernährung der Soldaten die Ursache weiterer körperlicher Schwächung. Das Regiment der spanischen Gouverneure auf Sint Maarten bewegt sich unentwegt auf einem schmalem Grad: Eine zu laxe Haltung gegenüber Disziplinarvergehen, Ungehorsam oder Aufsässigkeit führt schnell zu einem schleichenden Niedergang der militärischen Ordnung; im Falle eines feindlichen Angriffes kann es deshalb zu Desertionen kommen.

Die Gefahr einer Flucht der Untergebenen in die Wälder oder auf benachbarte Inseln ist ohnedies immer gegeben. Angesichts der desolaten und angespannten Lage auf dem spanisch kontrollierten Sint Maarten scheint eine Rebellion der Fortbesatzung geradezu unvermeidlich.

1635: Meuterei auf Sint Maarten

Und so kommt es bereits rund eineinhalb Jahre nach der Eroberung der Antilleninsel durch die Spanier zu einer ersten, folgenschweren Meuterei. Dem verantwortlichen Gouverneur der Insel, Capitán Cebrián de Liçaraçu, ist die Kontrolle über die Soldaten offenbar völlig entglitten: fortgesetzte und als ungerecht wahrgenommene Strafmaßnahmen des Gouverneurs haben die Gewalt schließlich eskalieren lassen.

Die Aufrührer greifen ihre Vorgesetzten im Januar 1635 massiv an. Bei einem Handgemenge wird einer der Offiziere durch die Meuterer schließlich sogar erschossen. Gouverneur Liçaraçu indes, der bereits an der Eroberung Sint Maartens 1633 beteiligt war, wird kurzerhand gefangen gesetzt. Die meuternden Soldaten stehen unter der Führung eines Unteroffiziers, Sargento Mayor Franciso López de Quiroga.

Unterstützt wird die Führungsriege der Rebellen zudem durch zwei katholische Mönche, die vermutlich bereits seit 1633 auf der Insel weilen. Über Monate hinweg harrt der abgesetzte und um sein Leben fürchtende Gouverneur nun in seinem Gefängnis aus.

Eine Falle für den Aufrührer

Zwischenzeitlich eintreffende Versorgungsschiffe ermöglichen es den Meuterern, Kontakt mit der königlichen Gerichtsbarkeit und der Exekutive des neuspanischen Vizekönigreichs aufzunehmen. Dem abgesetzten Liçaraçu werden seitens der Rebellen jetzt auch offiziell schwere Versäumnisse und Ungerechtigkeiten gegenüber der Truppe vorgeworfen. Die Behörden auf den Spanischen Antillen zeigen sich scheinbar versöhnlich und entsenden im April 1636 einen neuen Gouverneur nach Sint Maarten: Luis de Valdés, einem Veteranen des Krieges mit den Generalstaaten in den südlichen Niederlanden.

Fintenreich kündigt Valdés bei seiner Ankunft auf Sint Maarten den Meuterern an, Liçaraçu solle sich in Puerto Rico nun vor einem Gericht verantworten müssen. Der Anführer der aufständischen Soldaten indes, Quiroga, soll als Sprecher der Meuterer ebenfalls nach Puerto Rico reisen. Der unglückselige Feldwebel tappt in die Falle: in Puerto Rico angekommen, wird Quiroga umgehend festgenommen. In einem nachfolgenden Gerichtsverfahren verurteilt man den Anführer der Meuterer von San Martín zum Tode; am 4. Februar 1637 wird Quiroga hingerichtet.

Die meuternden Mannschaften indes werden auf andere Garnisonen in Kuba und Puerto Rico verteilt. Liçaraçu, der in Wahrheit zum Admiral der spanischen Westindienflotte worden war, verstirbt bereits 1636; noch bevor er sich nach Puerto Rico einschiffen kann.

Sint Maarten und die Konkurrenz aus Nordwesteuropa

Auch unter Valdés’ bereits 1638 arrivierendem Nachfolger Diego Guajardo Fajardo kommt es immer wieder zu ernsten Spannungen innerhalb der Festungsmauern, die mehr oder weniger offen an Meuterei grenzen. Die Versorgungsschwierigkeiten des Außenpostens in den Kleinen Antillen bleiben auch weiterhin ungelöst. Empfehlungen, das spanische Kastell auf der Antilleninsel schleifen zu lassen und die Garnison auf Sint Maarten aufzulösen, werden bereits mit dem Bekanntwerden der ersten größeren Revolte auf dem Antilleneiland laut.

Doch die Eingaben der neuspanischen Kolonialbehörden verhallen auf der iberischen Halbinsel ungehört. Trotz aller Schwierigkeiten hält die spanische Krone verbissen an ihrem ursprünglichen Plänen für Sint Maarten fest: den niederländischen Salzhandel und das Kaperunwesen zu erschweren ─ und wie eine Art Sperrriegel die koloniale Expansion der spanischen Konkurrenz in den Kleinen Antillen aufzuhalten.

Zumindest für die östliche Grenzregion zu Puerto Rico mit den strategisch wichtigen Islas Vírgenes gelingt dies auch weitgehend. Der vorgeschobene insulare Außenposten der Spanier verzögert über Jahre hinweg, dass der nordwestliche Teil der Kleinen Antillen vollends unter die Kontrolle konkurrierender Handelsgesellschaften aus Nordwesteuropa gerät.

Gerade die englischen und französischen Siedlungsversuche auf St. Croix und Tortola (Santa Ana) sind durch die spanische Präsenz auf Sint Maarten immer wieder gefährdet. 1636 zerstört gar ein spanisches Versorgungsschiff auf dem Weg nach Sint Maarten die englischen und französischen Siedlungen auf St. Croix.

Das spanische Fort auf Sint Maarten

Um also zu verhindern, dass die gesamte Ostkaribik zum Sprungbrett nordwesteuropäischer Kaperzüge wird, muss Sint Maarten den Schiffern und Kaufleuten aus dem Nordwesten Europas zumindest rein äußerlich als stabile und gut befestigte Garnison erscheinen.

Die Spanier scheuen daher auch keine Kosten, das Fort an der Großen Bucht immer wieder zu reparieren und zu erweitern. Menschliche Arbeitskraft und Gesundheit wird dabei unbarmherzig unter der Sonne der Karibik verbraucht. Selbst teure Festungsbaumeister und Handwerker werden zwischenzeitlich nach Sint Maarten entsandt. Vier Bastionen schützten zuletzt das spanische Fort von „San Martín“. Alleine die massive Ostmauer zur Little Bay hin misst 75 Meter. Die Festung ist zudem hochgerüstet. Anfänglich lagern mehr als 30.000 Pfund Schießpulver in dem Kastell. Dutzende Kanonen bewachen den zentralen Festungshügel über der Großen Bucht.

Um die Einfahrt in die Grote Baai auch an ihrer Ostseite hin zu schützen, errichten die Spanier am Pointe Blanche, rund 130 Meter über dem Meeresspiegel, eine zweite Befestigung. Als Baumaterial verwenden die Spanier dabei ebenfalls Elemente des ehemaligen niederländischen Forts auf Anguilla. Der Standort der kleinen Schanze am Pointe Blanche wird heute von den Sint-Maartenern als das „Old Spanish Fort“ bezeichnet.

Spionageziel Sint Maarten

Seiner Funktion als massive Drohkulisse inmitten der antillischen Inselwelt mag Sint Maarten mit seinen beiden Festungen damit weitgehend gerecht werden. Allein was im Inneren der Mauern und Wälle geschieht, bildet den entscheidenden Schwachpunkt der spanischen Strategie für die nordöstlichen Antillen. Denn die fortgesetzten Versorgungsprobleme der Spanier auf Sint Maarten lassen sich kaum verheimlichen; ebenso wenig die fragile militärische Disziplin der Garnison.

Gerade die regelmäßigen Kontakte nach St. Kitts und mutmaßlich auch mit Schleichfahrern und Schmugglern, die beständig durch die Inselwelt der Karibik streifen, machen Sint Maarten zu einem überaus verletzlichen Spionageziel. Trotz aller Vorsicht der Spanier. Ausgemergelte spanische Musketiere und Seeleute sprechen ohnedies eine klare Sprache.

Über St. Kitts oder informelle Handelskontakte mit Schleichfahrern vor Sint Maarten dringt die Kunde über den wahren Zustand der spanischen Herrschaft auf „San Martín“ auch zu den militärisch Verantwortlichen der WIC in der Karibik. Diese sinnen nach ihrer gewaltsamen Vertreibung im Juli 1633 ohnedies seit Längerem auf Rache. Den besonderen Nutzwert der Insel, ihre üppigen Meerwassersalinen und ihren großen Hafen, haben die Niederländer ohnedies nie vergessen.

1644 scheint die Lage für einen Rückeroberungsversuch besonders günstig. Die Niederländer befinden sich Anfang der 1640er auf dem Höhepunkt ihrer Macht im Atlantikraum ─ und auf Sint Maarten sollen sich, so berichten es verschiedene Quellen, gerade noch 100 spanische Soldaten befinden. Treibende Kraft des Angriffsunternehmens wird nun der ehrgeizige WIC-Gouverneur auf Curaçao, Peter Stuyvesant (1612-1672); späterhin Gouverneur von Nieuw-Nederland am Hudson River und einer der wichtigsten Gestalten der niederländischen Geschichte in Westindien während des 17. Jahrhunderts.

1644: Angriff der Niederländer unter Peter Stuyvesant

Stuyvesant trifft am 20. März 1644 mit einer auf Sint Eustatius verstärkten Flotte an der Südküste Sint Maartens ein. Die niederländischen Kundschafter haben Kenntnis von der spanischen Geschützstellung auf dem 132 Meter hohen Point Blanche. Was sie jedoch nicht wissen: Infolge des allgemeinen Siechtums in der spanischen Garnison ist das zweite Fort der Spanier an Tage der niederländischen Invasion gar nicht besetzt.

Die niederländischen Truppen landen nun westlich der spanischen Hauptfestung in der Kay Bay. Gänzlich außerhalb der Reichweite spanischer Kanonen. Trotz der gewaltigen Übermacht der Niederländer unter Peter Stuyvesant steht der Angriff auf die Spanier unter keinem guten Stern. Bereits wenige Tage nach dem Beginn der Belagerung des spanischen Forts kommt es zu einem dramatischen Zwischenfall: Stuyvesant wird durch eine spanische Kanonenkugel schwer verletzt. Sein Bein muss später amputiert werden.

Das Wunder von Sint Maarten

Trotz mehrfacher Angriffsversuche der Niederländer ist die Situation innerhalb des spanischen Forts auch nach Tagen unerwartet stabil. Kurz vor dem Eintreffen der niederländischen Invasionsflotte ist ein spanisches Versorgungsschiff in Sint Maarten angekommen. Zudem hat die Garnison Kontakt mit dem spanischen Gubernator auf Puerto Rico aufnehmen können. Der schickt zunächst weiteren Proviant.

In einer Nacht- und Nebelaktion gelingt einem spanischen Versorgungsschiff tatsächlich in die Große Bucht einzufahren. Von den niederländischen Wachbooten vor dem Eingang der Bai zunächst völlig unbemerkt. Damit ist klar, dass die Kapitulation des spanischen Forts noch eine ganze Weile auf sich warten lassen könnte. Unvermutet brechen die entnervten Niederländer ihre Belagerung der spanischen Festung jetzt ab. Die Gefahr, es bald mit einer mächtigen spanischen Armada zutun zu bekommen, ist den Holländern offenbar zu groß.

1648: das Ende der spanischen Herrschaft auf Sint Maarten

Den niederländischen Angreifern konnte die eigentlich völlig dezimierte Garnison auf Sint Maarten zwar auf wundersame Weise widerstehen ─ die iberische Herrschaft über „San Martín“ geht dennoch ihrem Ende entgegen. Trotz ihres Erfolges bleiben die Spanier skeptisch ob des weiteren Schicksals ihrer Festung auf der begehrten karibischen Salzinsel. Allzu sehr haben sie im März 1644 von Zufällen und der Desorganisation der niederländischen Angreifer profitieren können.

Einem weiteren Invasionsversuch dürfte das spanische Fort allenfalls bei erneuter Aufstockung der Garnison widerstehen. Doch hierfür mangelt es den Spanier zunehmend an finanziellen Mitteln; überdies erscheint der partielle strategische Nutzen der Antilleninsel in keinem Verhältnis zu den Kosten einer 100 oder gar 350 Mann starken Garnison zu stehen.

Die Zeiten haben sich geändert: Der Illusion, die Konkurrenten aus dem Norden einfach wieder aus der Neuen Welt, zumindest aus dem Bereich der Kleinen Antillen werfen zu können, gibt man sich in den 1640er Jahren spanischerseits längst nicht mehr hin. Die Macht der Engländer, Franzosen und Niederländer im Atlantikraum wird immer stärker. Überdies versinkt 1644 vor der englischen Kanalküste erneut eine riesige spanische Flotte und besiegelt einmal mehr die faktische Niederlage der spanischen Habsburger gegen die Generalstaaten. Im Frieden von Münster 1648 muss Spanien die Unabhängigkeit der Niederlade endgültig anerkennen.

Auch in der Karibik hat dies Konsequenzen: Im März 1648 geben die Spanier ihre Forts auf Sint Maarten endgültig auf und ziehen sich nach Puerto Rico zurück. Jahrelange Querelen sind dieser Entscheidung vorausgegangen. Vor allem Sint Maartens Potenzial als niederländischer Kaperstützpunkt ist dabei immer wieder als Argument für einen Verbleib auf der Antilleninsel angeführt worden. Erst der Frieden von Münster hat diese Befürchtungen für die Spanier nachhaltig verringert.

Mit dem Verschwinden der Spanier kehren auch die Niederländer zurück. Nach 15 Jahren nehmen sie den viel umkämpften Festungshügel im Westen der Great Bay wieder in Besitz. Die neuen Kolonisten stammen von der niederländischen Besitzung Sint Eustatius.

Im Norden der Insel indes haben sich kurz zuvor erneut französische Kolonisten aus St. Kitts niedergelassen. Die Insel wird wenig später im Vertrag von Concordia im März 1648 auch formalrechtlich zwischen beiden Ländern aufgeteilt. Das niederländisch-französische, bis heute fortgeltende Kondominium über Sint Maarten nimmt seinen offiziellen Anfang.

Literatur:

  • Johan Hartog, De forten, verdedigingswerken en geschutstellingen van Sint Maarten en Saint Martin: van Jan Claeszen tot Willem Rink, 1631-1803. Zaltbommel 1997.
  • Thomas G. Mathews, The Spanish Domination of Saint Martin (1633-1648). In: Caribbean Studies, Vol. 9, No. 1 (Apr., 1969), S. 3-23.